Verehrte Muslime!
Eines der Gebote des Islams für uns ist auch der Verwandtenbesuch. Verwandtenbesuch (Silatu’r-Rahim) verdeutlicht unsere Verantwortung gegenüber unseren Familienangehörigen, Nahestehenden und Verwandten. Das ist eine menschliche, ethische und soziale Aufgabe für uns. Es erinnert uns, unsere Verbindungen zu unseren Verwandten aufrecht zu erhalten. Es erinnert uns, diese Beziehung ein Leben lang weiterzupflegen. Dazu gehört auch, Verwandte immer zu beschützen.
Der erhabene Allah sagte in einem Hadis Qudsi: “Ich bin der Barmherzige - ar-Rahman -, (die Verbindung zur Verwandtschaft heißt) auch der Gnädige - ar-Rahim. Ich habe ihr einen Namen, die von meinem Namen hergeleitet ist, vergeben. Ich pflege die Beziehung zu demjenigen, der die Beziehung mit Verwandten weiterpflegt. Ich kappe aber auch die Beziehung mit demjenigen, der die Beziehung mit ihnen kappt.”1 Dadurch wird folgendes sehr deutlich: Verwandtenbesuch ist so wichtig, dass es unsere Beziehung zu Allah beeinflusst. Es ist eine erhabene Beziehung. Der folgende Vers2 und andere Verse3 gebieten uns, uns davor zu bewahren, die Rechte von Verwandten zu verletzen: “Und fürchtet Allah […] und die Verwandtschaftsbande.“ Unsere Mutter Hadidscha beruhigte unseren Propheten als ihm die erste Offenbarung zuteilwurde. Sie sagte ihm damals: „Mach dir keine Sorgen. Allah wird dich nicht loslassen, denn du pflegst die Beziehungen mit deinen Verwandten.“ Damit verwies sie darauf, wie besonders sensibel der Prophet zu Verwandten war.
Verehrte Gläubige!
Eine der Institutionen, die heutzutage am meisten Schaden erleidet, ist die Familie. Auch bringt dies den Bruch von Beziehungen in der Verwandschaft mit sich. Besonders oft gibt es Gedanken und Aussagen wie: “Ich rufe zwar an aber er/sie ruft mich nicht an. Soll ich immer anrufen? Soll ich immer besuchen?” So etwas ähnliches ereignete sich auch zur Zeit des Propheten (s). Ein Gefährte des Propheten kam zu ihm und sagte: “O Gesandter Allahs! Ich versuche eine herzliche Beziehung zu meinen Verwandten zu knüpfen. Aber sie kümmern sich nicht um mich. Ich tue ihnen Gutes. Sie aber tun mir Böses an. Ich verhalte mich höflich zu ihnen. Aber sie behandeln mich unfreundlich.” Der Gesandte Allahs sagte, das Verhalten seiner Verwandten sei falsch. Er sagte: “Solange du dich so verhältst, ist die Hilfe Allahs bei dir.” Daraus schlussfolgern wir: Das Wohlwollen Allahs liegt darin, denjenigen, der dich nicht aufsucht, aufzusuchen; denjenigen, der nicht zu Besuch kommt, zu besuchen; und sich um denjenigen, der sich nicht um dich kümmert, zu kümmern.
Meine werten Geschwister!
Ständig gibt es technische Entwicklungen, die unser Leben vereinfachen. Leider entfernen uns diese voneinander anstatt einander anzunähern. Mit der Ausrede, keine Zeit zu haben, kümmern wir uns nicht um unsere Familie und Verwandten. Wir nehmen uns ihrer Sorgen nicht an. Dabei sehen wir darin kein Problem, das Leben vieler unbekannten Personen zu verfolgen.
“Jetzt habe ich keine Zeit dafür. Ich bin im Urlaub. Ich muss mich ausruhen. Meine Kinder fühlen sich bei ihnen nicht wohl; da gibt es kein Internet.” Solche Aussagen sind ein Zeichen für unsere Oberflächlichkeit. Dabei weiten sich unsere Möglichkeiten ständig. Diese Aussagen zeigen uns, dass unsere Herzen einengen. Das ist sehr bedenkenswert. Dabei gibt es sehr viele Mütter und Väter, die vergeblich auf ihre Kinder warten. Oder viele Eltern, die zur Einsamkeit verdammt wurden. Es gibt sehr viele Verwandte, die darauf warten, aufgesucht zu werden. Oder viele Verwandte, die in Vergessenheit geraten sind. Es gibt viele betrübte, vereinsamte und mutlose Nahestehende, die darauf warten, ihre Sorgen zu teilen. Oder viele Nahestehende, die eine Freundlichkeit erwarten.
Meine werten Geschwister!
Besonders die demnächst beginnende Urlaubszeit sollte hierfür genutzt werden. Daher sollten wir unsere Beziehung mit unseren Müttern und Vätern, unserem Ehepartner und unseren Kindern, unseren nahen und entfernten Verwandten aufrecht erhalten. Wir dürfen den Verwandtschaftsbesuch nicht vernachlässigen. Schließlich ist es ein Anlass zum Eintritt ins Paradies.
Ich beende meine Predigt mit einigen Empfehlungen unseres Propheten. Darin empfiehlt er, uns davor zu bewahren, die Rechte der Verwandtschaft zu verletzen: “Wer möchte, dass seine Gaben (Rizq) vermehrt werden und sich sein Leben verlängert, der soll sich um seine Verwandten kümmern.”4 “Wer an Allah und an den jüngsten Tag glaubt, möge sich um seine Verwandten kümmern.”5 “Gebt Acht! Wer die Verwandtschaftsbeziehung kappt, kann nicht ins Paradies eintreten.”6 “Die am schnellsten belohnte Güte und Rechtschaffenheit ist der Verwandtenbesuch (Silatu’r-Rahim). Das am schnellsten bestrafte Böse, ist Unterdrückung sowie Vernachlässigung von Verwandtenbesuch.”7
Die DITIB-Predigtkommission
1 Koran, an-Nisa, 4/36
2 Ibn Abi Schayba, Kitabu’l-Iman, (Damaskus, o. Datum), 33
3 al-Bukhari, Adab 31
4 al-Muslim, Iman, 73
5 al-Bukhari, Adab, 29
6 al-Bukhari, Adab, 28
7 ad-Darimi, Siyar, 3; at-Tirmidhi, Birr, 28