Liebe Gläubige
Die Welt wird in vielen muslimischen Sprachen als „Die Welt der Prüfung“ bezeichnet. Wir, ob einzelne Personen oder als Gesellschaft, befinden uns mit unseren Worten, Taten und Verhaltensweisen in einem Zustand der ständigen Prüfung. In dieser Welt der Prüfungen können wir auf viele positive und negative Ereignisse stoßen, während wir unseren Verpflichtungen und Verantwortlichkeiten nachkommen. Im Koran wird des Öfteren betont, dass der Mensch mit vielen Schwierigkeiten und Problemen wie Hunger, Angst, Krankheit und Armut geprüft wird. Zu den schwierigeren Prüfungen in diesem irdischen Leben gehört die körperliche Behinderung, bei der die Geduld, Ausdauer und Standhaftigkeit einer Person und seiner Mitmenschen auf die Probe gestellt werden können.
Liebe Geschwister
Sowie der gesunde Mensch durch seine Gesundheit kein Grund zur Überlegenheit hat, hat der Mensch mit Behinderung keinesfalls ein Mangel oder Makel. Wichtig ist, dass unsere Seelen und Herzen heil sind. Der Wert des Menschen ist nicht in seiner materiellen Existenz und physischen Struktur verborgen, sondern in seinem moralischen, spirituellen und geistigen Reichtum. Tatsächlich basiert in unserem heiligen Buch Koran der Wert einer Person bei Allah nicht auf ihrer Hautfarbe, ihrem Geschlecht, ihrer Behinderung oder Unversehrtheit. Der Wert des Menschen liegt in seiner Frömmigkeit.[1] „Gott schaut in eure Herzen, nicht auf euren Körper und Äußeres.“[2] Mit diesem Hadis wurden alle Arten von physischen Unterschieden unter den Menschen von der Bewertung ausgeschlossen.
Werte Gläubige
Wie jeder Segen, den wir von Allah bekommen, ist jede Schwierigkeit, die wir erleben, ein Mittel, um den Wohlwollen Allahs zu erlangen und von unseren Sünden zu erlösen. Sie können sogar als Sühne für unsere Fehltritte und Sünden gelten, wie es in den Hadisen von unserem geliebten Prophet Muhammed (s) überliefert wird.[3] Wir können jedoch Geduld und Standhaftigkeit bei schwierigen Situationen im Leben nicht als Ausrede für eine passive und untätige Lebensführung benutzen. Geduld ist nicht Passivität und Untätigkeit, sondern die Pflege unseres Willens und unserer Lebensfreude, damit wir unser Selbstvertrauen nicht verlieren. Uns selbst trotz unserer Behinderung zu verwirklichen, macht einen beträchtlichen Teil der Prüfung aus. Unsere Fähigkeiten, Energie und Potenzial sind eine unerschöpfliche Quelle, die Allah uns geschenkt hat.
Andererseits befinden wir uns alle in der Situation, plötzlich eine unerwartete Behinderung zu bekommen. Man weiß nicht, was das Leben bringt. Vor dem Hintergrund, dass wir möglicherweise morgen das gleiche Schicksal erleiden, müssen wir mit einem Bewusstsein handeln, welches es Menschen mit Behinderung ermöglicht, als glückliche Menschen am Leben teilzunehmen. Die Teilhabe der Menschen mit Behinderung am religiösen, sozialen und wirtschaftlichen Leben als benachteiligte, aber gleichberechtigte Mitglieder der Gesellschaft zu gewährleisten, ist keine Aufgabe, die nur offiziellen Institutionen und Organisationen überlassen werden kann. Sowie Landes- und Kommunalverwaltungen diesbezüglich enorm wichtige Pflichten und Verantwortlichkeiten zu erfüllen haben, so hat jede Person bei dieser Teilhabe, beginnend mit der Familie, eine wichtige und nicht zu vernachlässigende Verantwortung.
Als Selbstkritik ist in diesem Zusammenhang anzumerken, dass unsere Moscheen noch nicht barrierefrei und den Bedürfnissen der behinderten Gläubigen angepasst sind. Die Moscheevereine, welche den Anspruch erheben, der Gemeinschaft zu dienen, haben die dringende Aufgabe neue Barrierefreie Konzepte für ihre Gebetsräume und soziale Räumlichkeiten zu gestalten.
„Es ist eine Wohltätigkeit für dich, einen Blinden zu führen. Einer schwachen Person zu helfen, ist für dich auch eine Wohltätigkeit. Es ist eine Wohltätigkeit für dich, einer Person, die Schwierigkeiten beim Sprechen hat, zu helfen, ihre Besorgnis auszudrücken.“[4] Diese Worte unseres geliebten Propheten Muhammed (s) sollte uns und jedem andere als Leitfaden im Umgang mit Menschen mit Behinderung dienen.
Lassen Sie uns also danach streben, das Leben unserer Geschwister mit Behinderung so leicht und barrierefrei wie möglich zu gestalten. Unterstützen wir sie materiell und moralisch, um ihnen das Gefühl als Teil der Gesellschaft zu geben. Denn jedes gute Wort und jeder Einsatz für unsere Geschwister mit Behinderung ist ein Mittel zu unserer Vergebung. Vergessen wir nie die Tatsache, dass wir in dem Maße erst dann vollkommene Gläubige sein können, wie wir einander das Leben erleichtern.
Die DITIB-Predigtkommission
[1] Koran, al-Hudschurat, 49/13.
[2] Muslim, Birr, 34.
[3] Buhārī, Mardā, 1.
[4] Ibn Hanbal, V, 152.
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