Verehrte Gläubige!
“Jede Religion hat eine Ethik; die Ethik des Islam ist die Keuschheit.”1 So sagt es der Gesandte Allahs in einem seiner Hadithe.
Der Gesandte Allahs, der gesandt wurde um den edlen Charakter zu vervollkommnen,2 beschreibt die Schamhaftigkeit als die erhabenste Tugend und schönste menschliche Eigenschaft.
Einfach formuliert, kann Schamhaftigkeit (“haya”) als “Gefühl der Scham” definiert werden. Es bedeutet, dass man sich “aufgrund der unangenehmen Handlungen unbehaglich fühlt und sich davon abwendet.” Eine höhere Stufe der Schamhaftigkeit ist muruwwa (“mürüvvet”). Dies wird so definiert, dass “die Schamhaftigkeit einer offenkundig ausgeführten Handlung auch dann gefühlt wird, wenn im es im Verborgenen getan würde und man sich daher davon abwendet.”
Meine Geschwister!
Unsere Quellen beschreiben drei Dimensionen der Schamhaftigkeit. Erstens: Schamgefühl vor Allah. Abdullah b. Mas`ud, einer der großen Gefährten des Propheten, beschreibt diese Dimension der Scham wie folgt: Eines Tages sagte der Prophet (s): “Seid im erforderlichen Maß schamhaft vor Allah.” Wir hingegen antworteten ihm: “O Gesandter Allahs! Dank sei Allah, wir sind ohnehin schamhaft vor Ihm.” Daraufhin sagte der Gesandte Allahs: “Nicht so! Im erforderlichen Maß schamhaft vor Allah zu sein ist, wenn du deinen Kopf und alle darin befindlichen Organe, deinen Bauch und alle im Bauch befindlichen Organe beschützt, dich von den weltlichen Zierden verführen zu lassen und den Tod zu vergessen. Wer das Jenseits begehrt, kehrt sich von den weltlichen Zierden ab. Wer dies tut, ist im erforderlichen Maß schamhaft vor Allah.”3
Meine Geschwister!
Die zweite Dimension von Schamhaftigkeit ist die Scham vor den Menschen. Den Menschen gegenüber schamhaft zu sein, wird dann verwirklicht, wenn das Gesetz und das Recht anderer Menschen respektiert werden, keine abscheulichen, verwerflichen und schädlichen Handlungen unter den Menschen dargebracht werden. Diese Dimension von Schamhaftigkeit wird vom folgenden Hadith am schönsten verdeutlicht: “Muslim ist derjenige, vor dessen Hand und Zunge sich die Menschen sicher sind.”4
Die dritte Dimension der Schamhaftigkeit ist das Schamgefühl des Menschen gegenüber sich selbt. Uns selbst gegenüber schamhaft zu sein, bedeutet, uns zu bemühen, edlen Charakter zu haben und tugendhaft zu sein, wenn wir allein und einsam sind, genauso wie, wenn wir uns in Gesellschaft befinden. Schließlich wird im edlen Koran die Notwendigkeit, uns vor allen abscheulichen Taten im Verborgenen und Offenkundigen zu bewahren, wie folgt zum Ausdruck gebracht: “Und meidet das Äußere und Innere der Sünde. Diejenigen, die Sünde begehen, werden sicherlich nach Verdienst belohnt werden.”5
Geehrte Gläubige!
Die Scham gewährleistet, dass der Mensch mit Ehre, Würde und Stolz lebt. Eine Person, die seine Scham verloren hat, verliert auch seine Ehre. Von einer Person, die seine Ehre und Würde verloren hat, kann allerlei Böses in Erscheinung treten. Schließlich wird folgendes zum Ausdruck gebracht: Alle Propheten seit Adam (s) lehrten den Menschen die Schamhaftigkeit als erster ethischer Wert. Hierzu sagte unser geliebter Prophet (s): „Das erste Wort, das die Menschen von Propheten hörten, ist das Wort: „Mach, was du möchtest, wenn du dich nicht schämst!“6
Unser Prophet (s) sagte, dass “Schamhaftigkeit gänzlich Gutes (khayr)“7 ist. Er ermahnte einen medinensischen Muslim, der seinem verschämten Bruder einredete, sich von dieser Eigenschaft abzuwenden, indem er sagte: „Nein, lass ihn; Schamhaftigkeit rührt nämlich aus dem Glauben.“8
Ich beende meine Freitagspredigt mit den warnenden Worten unseres geliebten Propheten (s), der uns vor unverschämten Haltungen und Handlungen bewahren möchte. Der Gesandte Allahs sagte: “Wenn Allah einen Seiner Diener bestrafen möchte, nimmt er die Schamhaftigkeit von ihm. Die von seiner Schamhaftigkeit entledigte Person beginnt damit, Handlungen darzulegen, die den Zorn Allahs regen. Vorerst wird sein Gefühl der Sicherheit genommen. Dann wird die Person verräterisch. Wenn die Person verräterisch ist, wird Barmherzigkeit von ihm genommen. Wenn Barmherzigkeit von ihm genommen wurde, ist jene Person dann verstoßen und verflucht. Wenn jene Person verstoßen und verflucht ist, hat diese Person keine Beziehung mehr zum Muslimsein.”9
Die DITIB-Predigtkommission
1 I. Malik, Muvatta’, Husnu’l-Hulq, 9; Ibn Madscha, Zuhd, 17.
2 Ahmad b. Hanbal, Musnad, 2/381.
3 Tirmidhi, Qiyama, 25.
4 Buhkari, Iman 4, 5, Riqaq 26.
5 Koran, al-An’am, 6/120.
6 Bukhari, Adab, 78; Anbiya, 54; Abu Dawud, Adab, 6.
7 Muslim, Iman, 61.
8 Buhkari, Iman, 24.
9 Ibn Madscha, Fitan, 4190.
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