In den letzten Tagen kursieren in den sozialen Netzwerken zu den Diskussionen über den Leiter des Münsteraner Zentrums für Islamische Theologie, Prof. Dr. Khorchide, unsachgemäße Behauptungen über die DITIB. Aus diesem Grunde sieht sich die DITIB zu untenstehender Stellungnahme veranlasst:
Die Türkisch-Islamische Union, kurz DITIB, repräsentiert die meisten Muslime in Deutschland und hat großes Interesse am Aufbau der islamischen Theologie in Deutschland, die die Basis der Muslime und ihren Glauben wiederspiegeln soll. Hierbei ist festzustellen, dass die seit über einem Jahr geführten Diskussionen über das Buch des Leiters des Zentrums für Islamische Theologie in Münster, Prof. Dr. Mouhanad Khorchide und seine öffentlichen Ausführungen unter den Muslimen zu Irritationen geführt haben. DITIB folgert aus dieser Tatsache und anhand andauernder Forschungen, dass Prof. Dr. Khorchide in seiner Funktion nicht tragbar ist.
Diese Erkenntnis erlangte DITIB unter anderem durch folgende Abläufe:
1. Prof. Mouhanad Khorchide wurde DITIB von den anderen Religionsgemeinschaften im KRM vorgestellt und für den Lehrstuhl für Islamische Religionspädagogik in Münster vorgeschlagen. Bevor Mouhanad Khorchide sich der Herausforderung stellte, im Rahmen der bekenntnisorientierten Theologie die Lehre des Islams in Münster zu unterrichten, legte er dem KRM am 11.02.2010 eine unterschriebene Absichtserklärung vor. Die Absichtserklärung diente als Grundlage des gegenseitigen Vertrauens und formulierte die Verpflichtung zur bekenntnisgebundenen Lehre und Forschung. Die Absichtserklärung umfasst ferner die institutionelle Einbindung der muslimischen Religionsgemeinschaften in die Ausbildung der Religionslehrerinnen und -lehrern, sowie die Geschwisterlichkeit und Vertraulichkeit bei gegenseitiger Kritik.
Die muslimischen Religionsgemeinschaften im KRM hatten an Mouhanad Khorchide auf Basis dieser Absichtserklärung die Lehrerlaubnis erteilt.
2. Herr Khorchide hielt seine selbst unterschriebene Verpflichtung nicht ein und führte anstelle der geschwisterlichen internen Absprache die Kritik und die Debatte über die Öffentlichkeit. Denn, so führte er in der Absichtserklärung auf: „Kritik – egal von welcher Seite – muss geschwisterlich intern besprochen werden und nicht über die Öffentlichkeit.“ So plädierte er gegenüber der Katholischen Internationalen Presseagentur (kipa/Schweiz) am 02.10.13 für die Abschaffung der Lehrbefugnis (idschaza). Damit hat er sich gegen das verfassungsrechtlich den Religionsgemeinschaften anerkannte und garantierte Recht ausgesprochen und dieses Recht bzw. die Hoheit für sich selbst eingefordert. Bis dato liegt auch keine gegenteilige Stellungnahme vor, die diese Worte irgend zu erklären sucht. Ein ganz entscheidender Verstoß gegen die Absichtserklärung ist auch der Vorwurf Khorchides, den er in einem Interview in der Wochenzeitung Zeit (erschienen am 02.10.2013) gegeben hat, dass die Verbandsfunktionäre nicht die theologische Kompetenz besitzen würden: „Die Verbandsfunktionäre waren bisher nicht mit inhaltlichen Fragestellungen konfrontiert. Sie wären damit überfordert, weil sie die theologischen Kompetenzen dafür nicht besitzen.“
3. Besonders mit der Veröffentlichung seines Buchs „Islam ist Barmherzigkeit“ zog Khorchide eine innerislamische Kritik auf sich, in dem er zum Teil bereits existierende Thesen aufstellte und gleichzeitig vielen gläubigen Muslimen und Gelehrten Oberflächlichkeit und die Überbewertung der Äußerlichkeit im Glauben vorwarf. Es ist zwar Herrn Khorchide positiv anzurechnen, dass er die Bedeutung der inneren Einstellung hervorhebt und den Barmherzigkeitsgedanken in den Vordergrund stellt. Jedoch stellt er in seinem Buch auch weitere Thesen vor, die innerhalb der muslimischen Gesellschaft für viele Irritationen geführt haben und damit immer mehr zur Ablehnung seiner Person in seiner gegenwärtigen Funktion. Selbst seine späteren Klarstellungen in einigen Punkten bedürfen noch der weiteren Ausführung, weitere Ansätze sind noch offen und erklärungsbedürftig und damit in der jetzigen Form nicht tragbar. Daher wurde sein Buch näher analysiert, was als Grundlage für weitere Diskussionen dienen soll.
Diesbezüglich ist Folgendes hervorzuheben:
„Nach Khorchides Ausführungen -sowohl im Buch, als auch inseinen späteren Klarstellungen- ist nicht eindeutig zu erkennen, dass die Bestätigung Gottes als das wichtigste Gebot im Islam anzuerkennen ist, obwohl er selbst betont, dass ein Gläubiger derjenige sei, der sich zur Liebe und Barmherzigkeit Gottes bekenne. Seine eingangs formulierte Prämisse, dass Gott durch menschlichen Verstand erfassbar sei, findet in seinen späteren Darstellungen keine Erwähnung. In den von ihm herangezogenen Quellen werden ausschließlich ethische Inhalte in den Vordergrund gestellt und weitere gar nicht erwähnt. In seinen späteren Ausführungen hierzu räumt er selbst ein, dass er sich missverständlich ausgedrückt haben könnte.“ (vgl. Şeyda Can)
4. Eine ganz entscheidende Angelegenheit ist aber die Wahrnehmung der breiten muslimischen Gesellschaft in Deutschland, der gegenüber die muslimischen Religionsgemeinschaften Verantwortung tragen. So wurden viele Äußerungen im Buch und in den Medien als eine Beleidigung der muslimischen Identität aufgegriffen und manche Äußerungen sogar als eine klare Absage der klassisch-islamischen Lehre interpretiert. Diesbezüglich erhält DITIB auch Beschwerden, die den Unmut friedlich zu Worte bringen. Die Unzufriedenheit unter den Muslimen verbreitet sich und die Ablehnung gegenüber dem Zentrum für Islamische Theologie wächst in der Basis. Daher ist es nicht auszuschließen, dass künftige Absolventen des Zentrums auch später in ihrem Berufsleben mit Vorbehalten aufgrund ihres Studiums benachteiligt werden könnte, was besonders bedauernswert wäre.
5. DITIB hat die Diskussionen zunächst mit Bedacht mitverfolgt. Eine übereilige Gegenposition wurde vermieden, um insbesondere die Zukunft der islamischen Theologie nicht auf emotionalen Streitigkeiten aufzubauen. Vielmehr galt und gilt es, sachlich zu bleiben und die Lage zunächst aufgrund konkreter Kritikpunkte zu bewerten. Um Missverständnisse in der Öffentlichkeit zu vermeiden, hat DITIB die Diskussionen daher zunächst nur verfolgt und sich nicht geäußert. Mit dem heutigen Stand ist jedoch festzuhalten, dass Khorchides theologische Ausführungen nicht tragbar und seine Ansichten, die er in seinem Buch aufwirft, zweifelhaft sind.
In diesem Prozess kommt es vor allen Dingen darauf an, dass die muslimische Gesellschaft nicht ihr Vertrauen in die neu gegründeten Islamzentren in Deutschland verliert.
Der DITIB-Vorsitzende Prof. Dr. Er hatte am 13.12.2013 zum gemeinsamen Pressefrühstück geladen. Gefragt nach den Behauptungen, DITIB würde Prof. Khorchide unterstützen, sagte Prof. Er: „Es kann nicht davon gesprochen werden, dass DITIB jemanden persönlich unterstützt. Es gibt Kriterien, nach denen jemand unterstützt werden kann. Den Religionsgemeinschaften stehen in Deutschland verfassungsrechtlich verbriefte Rechte zu. Eine Ausbildung, die für Muslime gedacht ist, muss gesellschaftlich akzeptiert sein. Absolventen dieses Lehrstuhls werden für Muslime als Religionsgelehrte Dienste leisten. Wenn die Absolventen und diejenigen, die sie ausbilden aber in der Gesellschaft nicht auf Akzeptanz stoßen, weil sie sich in Dogmen und Glaubensinhalten von dieser scheiden, haben wir Probleme.“ Prof. Er hob zudem hervor, dass jeder nur in seinem eigenen Kompetenzbereich Schriften veröffentlichen sollte: „Beispielsweise bin ich selbst Religionssoziologe und kann zum Thema Systematische Islamische Theologie keine Urteile treffen, dies wäre eine Kompetenzüberschreitung.“
DITIB stellt daher hiermit fest, dass Prof. Dr. Mouhanad Khorchide in seiner gegenwärtigen Funktion im Zentrum für Islamische Theologie nicht tragbar ist und fordert die einschlägigen Stellen dazu auf, angesichts vorgenannter Befindlichkeiten, entsprechende Schritte einzuleiten.
Pressestelle
DITIB-Dachverband2013-12-16
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