Rede von Prof. Ali Dere, im Plenum der Deutschen Islamkonferenz vom 19. April 2012

Sehr geehrter Herr Bundesinnenminister,

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Deutsche Islamkonferenz hat in ihrer Arbeit der letzten Jahre so manchen Vorschlag hervorgebracht. Einiges davon hat in der Praxis seinen Niederschlag gefunden. Ich nenne hier nur exemplarisch die islamische Theologie an Hochschulen oder den islamischen Religionsunterricht. Das sind zwei konkrete Themen mit sehr konkreten Ergebnissen.

Als Vertreter der Religionsgemeinschaften der DITIB begrüßen wir, dass die Deutsche Islamkonferenz sich nunmehr Themen widmet, die die Menschen direkt betreffen und darin versucht, Akzente für ein besseres Miteinander in der Gesellschaft von Muslimen und Mehrheitsgesellschaft zu setzen. Das Thema Geschlechtergleichheit der Muslime hat eine andere Qualität. Das Thema entsteht nach einer Gesellschaftsanalyse, die eine eklatante Ungleichheit von Mann und Frau beschreibt. Auch durch ihre Brisanz und die hoch kontroverse Diskussion darum, kann man die Geschlechtergleichheit im Rahmen der Diskussion um den Islam als Achillesverse der Muslime in dieser Gesellschaft bezeichnen.

Es ist kein Ausdruck von Ignoranz, wenn ich dennoch behaupte, dass die Geschlechterungleichheit nicht der Religion des Islam zuzuschreiben ist. Wenn wir von einer fehlenden Geschlechtergleichheit unter den Muslimen sprechen, so können wir damit nicht die Religion in ihrer theologischen Dimension meinen. Vielmehr übertragen wir die Ergebnisse sozio-kutureller Analysen auf die Theologie, die aber nicht Gegenstand der Untersuchungen ist. Die Differenzierung von Theologie und Soziologie der Muslime ist aber von großer Bedeutung, wenn wir eine Lösung der Fragen um die Geschlechtergleichheit suchen. Übertragen wir unsere soziologische Analyse auf die Theologie, so nehmen wir den Muslimen damit die Chance, die Probleme innerhalb ihrer religiösen Zugehörigkeit zu lösen. Dabei strebt gerade der Islam in seiner theologischen Dimension an, einen tugendhaften Menschen hervorzubringen, dem ungeachtet von Geschlecht, Herkunft und Hautfarbe Gerechtigkeit zuteil wird. Daher appelliere ich in diesem Teil meiner Rede dafür, Soziologie und Theologie klar auseinander zu halten.

  1. Als DITIB haben wir immer Gewalt in der Familie auch gegen Frauen geächtet und versuchen in unseren Moscheegemeinden gegen jede Art der Ungleichbehandlung von Frauen entgegen zu wirken. Unser Islamverständnis sieht die Frau als gleichberechtigte Partnerin an der Seite des Mannes und nicht hinter ihm. Das betonen unsere Imame stets in ihren Predigten. Gewalt gegen Frauen kann in keiner Weise legitimiert oder geduldet werden. Ebenso akzeptiert der Islam nach unserem Verständnis eine unter Zwang geschlossene Ehe nicht. Eine Ehe kann nur zwischen zwei Partnern eingegangen werden, die ihre Absicht zur Eheschließung aus freiem Willen erklären. Bleibt zu hoffen, dass diese Erklärung Signalwirkung entfaltet und hilft, nicht nur das verklärte Bild hinsichtlich dieser Thematik in der Öffentlichkeit zu korrigieren, sondern ebenfalls Betroffenen Hoffnung, Zuversicht und Vertrauen geben kann.
  2. Als Vertreter einer Religion, die die Gleichberechtigung der Frau als erste schriftlich manifestiert und Jahrhunderte lang auch umgesetzt hat, betrübt es uns, dass heute insbesondere muslimische Frauen von der gesellschaftlichen Teilhabe ausgeschlossen werden. So wie wir uns gegen Diskriminierungen aus dem Umfeld der Frauen stellen und die Rechte der muslimischen Frauen immer wieder betonen, so müssen wir – gemeinsam mit der Deutschen Islamkonferenz - uns auch gegen die Diskriminierung von Musliminnen in der Öffentlichkeit, insbesondere im Berufsleben, stellen und gemeinsam nach Lösungen hierfür suchen. Hierin sind die Veröffentlichung gegen häuslichen Zwang und Gewaltund die Broschüre für den Arbeitsmarkt als erste Schritte in die richtige Richtung zu sehen.
  3. Es ist Aufgabe der Bundesregierung, aber auch anderer öffentlich-rechtlicher Einrichtungen, Zeichen zu setzen und relevante Impulse zu geben. So hat das Kopftuchverbot für Lehrerinnen beispielsweise auch Signalwirkung auf die freie Wirtschaft. Um der Ausgrenzung und Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt entgegen zu wirken, sollten öffentliche Einrichtungen glaubhaft auch als gutes Beispiel vorangehen, um Musliminnen mit Kopftuch im öffentlichen Dienst sichtbarer werden zu lassen. Dadurch kann eine ausgleichende Signalwirkung für die Teilhabe von muslimischen Frauen erreicht werden. Es ist zu begrüßen, dass einige Länder wie Hamburg oder Berlin sich das Ziel gesetzt haben, den Anteil von Migranten im öffentlichen Dienst auf eine Quote entsprechend dem Bevölkerungsanteil anzuheben. Dabei dürfen insbesondere Musliminnen nicht ausgegrenzt werden. Um die Chancen von Musliminnen und Muslimen auf dem deutschen Arbeitsmarkt zu erhöhen, sollte daher eben von öffentlichen Einrichtungen, Behörden und Ämtern als Vorbild vorgelebt werden, wie Zugangsbarrieren nachhaltig beseitigt werden können.


Auch bezüglich der aktuell diskutierten Koranverteil-Aktion ist eine klare Haltung notwendig. Die Verbände der KRM haben dazu eine Stellungnahme veröffentlicht. Dabei ist es wichtig, zwischen der Verteilung der heiligen Schrift und den Verteilern zu unterscheiden. Statt diesbezüglich die DIK als „offene Front“ im Kampf gegen diese Aktion zu gestalten, sollte Arbeiten und Organisationen unterstützt und gefördert werden, die die richtige Vermittlung des Islam und des muslimischen Grundverständnis in den Vordergrund stellen. Grundsätzlich darf sich die Islamkonferenz nicht als Bühne einer marginalen Gruppe missbrauchen lassen, indem sie die Salafisten bzw. ihre Aktionen als Tagesordnungspunkt auch noch adelt. Die Problematik selber wurde bereits in der Arbeitsgruppe Prävention differenziert und detailliert behandelt. Eine erneute Aufnahme des Themas wäre nicht nur kontraproduktiv, vielmehr würde es zudem ein verfälschtes Bild der Islamkonferenz als reine Sicherheitsveranstaltung vermitteln.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Es gilt das gesprochene Wort / Berlin, 19.04.12)


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