Verehrte Muslime!
Der Mensch ist das edelste der Geschöpfe Allahs. Der Mensch wurde auf die Erde gesandt, damit er geprüft werde. Für dieses Erdenleben braucht er nichts so sehr wie Seelenfrieden, Vertrauen und Glück. Dieser Seelenfrieden und dieses Vertrauen kann nur dann hergestellt werden wenn unsere Religion, der Islam, wahrhaft praktiziert wird. Nicht umsonst hat der Begriff “Islam” die Bedeutungen “Wohlergehen”, “Frieden” und “Geborgenheit”.
In der letzten Zeit erleben und beobachten wir die Verbreitung von Wut, Hass und Gewalt in unserer Gesellschaft. Diese Situation betrübt uns zutiefst. Diese Eigenschaft, die in unserer Natur veranlagt ist, kann natürlich nicht völlig ausgeschaltet werden. Ein Muslim wird wissen, wie er seine Wut unter Kontrolle hält. Er ist in der Lage, sich in Geduld üben zu können. Er wird besonnen handeln können. Schließlich hat er dieses in seiner religiösen Erziehung gelernt. Schließlich gebietet dies auch die Umsetzung der koranischen Ethik. Wie anschaulich ist hier doch folgender Hadis unseres geliebten Propheten (s): “Der wahre Starke ist derjenige, der seine Wut besiegt.”1
Verehrte Gemeinde!
Streit, Trubel und Gewalt in einer Familie resultieren meistens aus Wut. Dieser heimtückische Virus macht manchmal vor nichts Halt. Er kann sich zwischen Eheleute genauso einnisten wie zwischen Eltern und Kind, zwischen Verwandte und Freunde und sogar zwischen Nachbarn. Wie ein sich schnell ausbreitendes Virus befällt er alle Organe und zerstört das ganze Wohlergehen. Weder Liebe, noch Respekt zwischen den Menschen verbleiben mehr. Auf diesem Nährboden gedeihen dann Spannungen und Hass zwischen Menschen besonders gut. Dann entstehen auch so manche Schäden, die irreparabel sind. Zerstörte Familien, verwaiste Kinder und allein zurückgebliebene Ehepartner sind das Ergebnis. Wut selbst ist eine Krankheit. Daneben ist Wut auch Ursache von vielem Bösen. Wut führt zu Streit, Groll, Hass, Rache, üble Nachrede, Missbilligung sowie zu bösen Worten und Handlungen. Auch beendet Wut jegliche menschlichen und ethischen Beziehungen. Freundschaft und Vertrauen werden durch Wut vernichtet. Wie in der Redewendung zurecht gesagt wird: “In der Wut tut niemand gut.”
Verehrte Muslime,
Gewalt und Wut sind Handlungen, mit denen man keineswegs prahlen darf. Starke und selbstbewusste Menschen sind in kritischen Situationen ruhig und gelassen. Nur schwache und unvermögende Personen lassen sich meistens von Wut verleiten. Was können wir nun dagegen tun? Wie gelingt es uns, diesen Virus zu bekämpfen und uns zurückzuhalten von Taten, die wir später nur bitter bereuen würden? Wie retten wir unser Glück auf Erden und später im Jenseits? Allen voran dürfen wir nicht vergessen, dass wir aufgrund einer Prüfung auf der Erde sind. Wir sollten Geduld als größten Mechanismus zur Prävention und Kontrolle gegen die Wut ankurbeln. Der folgende Vers bringt zum Ausdruck, dass Geduld gegenüber und Überwindung von Wut ein großes Zeichen von Frömmigkeit ist: “Und wer auch immer sich geduldet und vergibt, siehe dies ist Sache von Größe und Stärke.”2
Verehrte Gläubige!
Als eines Tages der Prophetengefährte Omar (r.a.) zu Unrecht beleidigt wurde, wusste er folgende Antwort darauf: “Bei Allah! Ich kann dies sowohl mit meiner Hand als auch mit meinen Worten erwidern. Aber ich bin nun dem Islam beigetreten! Ich kann nun nicht mehr alles sagen, was mir in den Sinn kommt. Und auch nicht mehr alles machen, wonach mir ist. Ich glaube nunmehr an Allah und an das Jenseits und ich weiß, dass ich mich dort eines Tages verantworten muss. Wenn dem nicht so wäre, sähe es anders aus!”3 Denn Omar (r.a.) kannte die Verheißung des Propheten (s): “Wer auf einen Streit verzichtet - obwohl er Recht hat -, für den gibt es eine große Belohnung.” Der Islam hatte selbst Omar (r.a.) zu einem äußerst geduldigen, vergebenden und barmherzigen Menschen gemacht. Er hatte sich fortan der Gerechtigkeit verschrieben. Dabei galt er vor dem Islam als jähzorniger und wütender Mensch. Wir sollten uns alle inständig fragen, inwieweit sich unser Glaube auf unseren Charakter auswirkt. Wir sollten uns häufig daran erinnern: Im edlen Koran und in den Hadisen werden diejenigen, die ihren Wut überwinden und vergeben, gelobt und mit dem Paradies verheißen.
Ich beende meine Freitagspredigt mit der Bedeutung des Eingangsverses: “Sie (die Muttaqīn [die frommen Ehrfürchtigen]) sind diejenigen, die in Zeiten der Fülle wie der Knappheit ausgeben (für Allah) und die ihren Zorn unterdrücken und den Menschen vergeben. Gewiss, Allah liebt diejenigen, die Gutes tun (al-Muhsinīn).”3
Die DITIB-Predigtkommission
1 al-Bukhari, Adab, 76; al-Muslim, Birr, 107
2 Ibn Madscha, Zuhd, 18; Ibn Hanbal, I, 327, II, 128
3 Koran, Al-i Imran, 3/134