Verehrte Gläubige!
Während einige Regionen gegen Dürre und zerstörerisches Feuer kämpfen, kämpfen andere gegen unbeherrschbare Wassermassen. Die Erde unter unseren Füßen bebt, Hurrikane und Stürme reißen alles mit sich. Menschen verlieren ihr Lebens, ihrer Existenz und Zukunft, verlieren ihre Liebsten, ihr Hab und Gut. Sie stehen hilflos vor den Trümmern ihrer Häuser und Städten, haben weder Obdach, noch Trinkwasser, Strom, Nahrung oder Kleidung.
Verehrte Gläubige!
Die Menschheit kämpft derzeit weltweit verzweifelt gegen all diese schlimmsten Naturkatastrophen– nicht jedoch gegen die von Menschenhand bereiteten Ursachen. Obwohl wir im Koran vielfach zum Erhalt des natürlichen Gleichgewichts, das alle Lebewesen umfasst, ermahnt werden, haben wir dieses Gleichgewicht leider mit unseren eigenen Händen gestört.
Es geht heute nicht um eine wissenschaftliche Diskussion. Es geht vielmehr darum, aus den globalen Entgleisungen die notwendigen Konsequenzen zu ziehen. Während einzelne Regionen oder Länder ihre eigenen Herausforderungen haben, beispielweise Corona-Krise, Arbeitslosigkeit, Bildung, Sicherheits-, Wirtschafts- und Finanzkrisen, ist die Klimakrise eine globale, existenzielle und gleichzeitig auch moralische Krise, die nur mit einem gemeinsamen Bewusstsein und geeinten Kräften gelöst werden kann.
Die Menschheit muss erkennen, dass sie auf diesem Planeten mit allen Geschöpfen und Wesen dieser Welt nur in gegenseitiger Verantwortung leben kann. Diese Verantwortung gegenüber unserer Umwelt ist eine grundlegende Verpflichtung gegenüber der Zukunft der Menschheit, das darf nicht vergessen werden.
Diese unsere Verantwortung der Umwelt gegenüber ist im Koran mit dem Gebot der „Ausgewogenheit“ beschrieben und wie folgt formuliert: „Die Sonne und der Mond sind Gesetzen unterworfen, und die Sterne und Bäume werfen sich nieder. Und der Himmel, Er hat ihn erhöht und die Waage aufgestellt, auf, dass ihr an der Waage euch nicht vergeht.“1
Auch hier heißt es im Koran, dass diese Welt über die Ressourcen verfügt, uns alle zu ernähren – alles, was wir zählen können oder nicht, die Tiere, die Pflanzen, ja selbst Wind und Wasser sind uns anvertraut: „Und wir breiteten die Erde aus und warfen die fest gegründeten (Berge) auf sie und ließen in abgewogenen Maß allerlei Dinge in ihr sprießen. Und wir gaben euch und denen, die ihr nicht versorgt, in ihr Nahrungsmittel. Und es gibt kein Ding, dessen Speicher nicht bei uns sind, und wir senden es nur in bestimmten Maß hinab. Und wir entsenden die schwangeren Winde und entsenden Wasser vom Himmel und geben es euch zu trinken; und nicht ihr seid es, die es aufspeichern.“2
Meine Geschwister,
jeder sollte sich also fragen, was wir tun können, um dieses Problem zu lösen, damit wir unseren Kindern und Kindeskindern eine lebenswerte Welt hinterlassen.
Wir können unser Konsumverhalten reflektieren, Konsumgüter länger nutzen und dem Wiederverwertungskreislauf zuführen. Wir können unsere Mobilität reflektieren und alternative Transportmittel nutzen. Wir können unsere Nahrung umstellen, bewusster regionale, saisonale und bio-Produkte kaufen. Wir können unser Heizverhalten ändern und Energie- und Ressourcenverschwendung eindämmen. So können wir unseren Anteil über knapp 10% des Treibgasausstoßes in Deutschland verringern. Wir müssen aber auch fragen, wie die restlichen 90% des Treibgasausstoßes reduziert werden können.
Stromkonzerne, Autoindustrie, Landwirtschaft, aber auch Stadtplanung, Wohnungsbau und Verkehrsangebote müssen umweltfreundlicher werden. Um Klimagerechtigkeit zugunsten der ärmeren Regionen und künftiger Generationen zu erreichen, muss die fortschreitende Industrialisierung neu gedacht werden. Profitgier, Wirtschaftswachstum, Massenkonsum und Wegwerfmentalität, also die Verschwendungsmentalität, darf nicht zu Lasten und zum Nachteil nachkommender Generationen oder ärmerer Regionen dieser Welt ausufern. Dies wäre Ausdruck staatlichen und moralischen Versagens der Industrienationen, die überproportional Ressourcen verschwenden und zur Umweltverschmutzung beitragen.
Die DITIB-Predigtkommission
[1] Koran, ar-Rahman, 55/7-9.
[2] Koran, al-Hidschr, 15:19-22.
Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form ohne schriftliche Genehmigung der DITIB reproduziert, vervielfältigt oder verarbeitet werden.