Verehrte Muslime!
Wie fühlen wir uns, wenn wir einen weiteren Tag hinter uns lassen und ein Kalenderblatt abreißen? Fühlen wir das Wohl, einen nützlichen, fruchtbaren und schönen Tag verbracht zu haben? Oder fühlen wir die Reue eines verlorenen Tages, worin wir uns mit nutzlosen und zwecklosen Dingen beschäftigt haben? Sollte sich ein verantwortungsbewusster Mensch diese Frage nicht jede Nacht stellen und dementsprechend einen Weg einschlagen?
Unser geliebter Prophet (s) erteilte uns folgenden Ratschlag: “Zieht euch selbst zur Rechenschaft, bevor ihr im Jenseits zur Rechenschaft gezogen werdet! Seid maßvoll, bevor eure Taten abgewogen werden! Seid vorbereitet auf den Jüngsten Tag! Ohne Zweifel wird die Rechenschaft desjenigen, der sich auf der Welt verantwortungsbewusst verhielt, leicht zu sein.“1
Auch wir sollten diese wichtige Warnung berücksichtigen. Wir sollten jede Phase des Lebens, das uns geschenkt wurde, gut verwerten. Wir sollten unser Leben regelmäßig kritisch einer Rechenschaft unterziehen. Wir sollten den Tag, die Woche, den Monat, das Jahr und das verbrachte Leben wie einen Filmstreifen vor Augen halten. Wir sollten nachdenken über das, was wir gemacht und vernachlässigt haben. Wir sollten über unsere richtigen und fehlerhaften Taten und über unsere Verantwortungen nachdenken. Zu diesem Punkt sollten wir uns (weiter)entwickeln.
Meine Geschwister!
Nach dem gregorianischen Kalender lassen wir erneut ein Jahr hinter uns. Wir sind am Ende des Jahres 2020 angekommen. Aus Sicht des individuellen, d.h. menschlichen, und gesellschaftlichen Lebens ist ein Jahr ein sehr wichtiger Zeitabschnitt. Insbesondere das Jahr 2020 war ein sehr ungewöhnliches Jahr für unsere ganze Welt. Wir erfuhren, welch machtlose und ohnmächtige Wesen wir sind. Wir erlebten, wie machtlos wir gegenüber einem Virus, den man mit dem Auge nicht sehen kann, sind. Gemeinsam erfuhren wir, wie sich unser ganzes Leben veränderte. Wir erleben auch gemeinsam, wie diese Veränderungen weiterhin noch andauern.
Meine Geschwister!
Im Sinne einer Rechenschaft können wir uns selbst insbesondere folgende Fragen stellen: Habe ich nützliche Taten für mich, meine Familie, meine Gemeinschaft und die Menschheit vollbracht? Was habe ich an nützlichen Dingen für mein Diesseits und mein Jenseits gemacht? Habe ich Bedürftigen ausreichend geholfen? Wie sehr habe ich mich aus Sicht von Kenntnissen und Kultur weiterentwickelt? Habe ich meine Aufgaben gegenüber meinem Schöpfer - im Sinne von Gottesdiensten - ausreichend erfüllt? Welche Fehler habe ich gemacht und welche Sünden habe ich begangen? Habe ich Rechte anderer Personen verletzt? Habe ich meine Zeit als eines der wertvollsten Gaben effizient und gut verwertet? Diese Fragen können weiter ausgeführt werden…
Wir können den folgenden Rat unseres Propheten zu diesen Punkten der Rechenschaft hinzufügen: „Seid euch über den Wert von diesen fünf Dingen, bevor jene fünf kommen, bewusst! Das Leben, bevor der Tod kommt; Die Gesundheit, bevor die Krankheit kommt; Die Freizeit, bevor die Dauerbeschäftigung kommt; Die Jugend, bevor das Alter kommt; Und Reichtum, bevor die Bedürftigkeit kommt.“2 In einem anderen Hadis warnte er uns wie folgt: „Es gibt zwei große Gaben, dessen Wert dem Menschen nicht bewusst sind und dieser sich irrt: Zeit und Gesundheit.“3
Meine werten Geschwister!
Als natürliche Veranlagung (Fitra) fokussiert der Mensch seine Aufmerksamkeit, Gedanken und Begeisterung für die Zukunft. Ohne die positiven oder negativen Handlungen auszuwerten ist es dabei nicht möglich, eine Zukunftsplanung zu machen. In unserem wirtschaftlichen Leben machen wir jährlich eine Gewinn- und Verlustrechnung. Demnach planen wir unsere nächsten Schritte für die Zukunft. Aus diesem Grund sollten wir dies - so wie wir dies wirtschaftlich tun - in allen unseren Angelegenheiten, die unser Diesseits und Jenseits betreffen, ebenfalls tun. Wir sollten diese Sensibilität zeigen und unsere Schritte dementsprechend einleiten.
Mit der Übersetzung des rezitierten edlen Verses beende ich meine Freitagspredigt: “O Gläubige! Fürchtet Allah, und eine jede Seele nehme in Acht, was sie für morgen voranschickt. Und fürchtet Allah, Allah kennt eure Taten.“4
Die DITIB-Predigtkommission
1 Tirmizi, Kıyâme, 25.
2 Buhâri, Rikâk, 3.
3 Buhâri, Rikâk, 1
4 Koran, al-Haschr, 59/18.
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