Meine verehrten Geschwister!
Unser Prophet (s) hat am Anfang des siebten Jahres der Auswanderung den jeweiligen benachbarten Herrschern - unter ihnen auch dem byzantinischen Kaiser - einen Brief geschrieben und sie in die islamische Religion eingeladen. Als der byzantinische Kaiser den Brief unseres Propheten empfing, wünschte er sich zum Thema zu informieren und ordnete an, “jeden aus Mekka Kommenden, der zu finden ist, zu sich herbeizuholen.” An diesen Tagen befanden sich Abu Sufyan und seine Freunde auf der Reise nach Damaskus auf Rast in Gazza. Sie wurden seitens der Bediensteten von dem in Jerusalem befindlichen Kaiser Herakleios vorgeführt. Zuerst stellte der byzantinische Kaiser Herakleios mehrere Fragen über die Familie des Propheten, über sein Leben, über seinen Charakter und zur Situation seiner Gläubigen. Dann fragte er den bis dahin noch nicht zum Islam Bekennenden Abu Sufyan: „Was gebietet euch Muhammed?“ Er entgegnete dem Kaiser: „Muhammed gebietet uns zu beten, aufrichtig und keusch zu sein sowie die Verwandten zu besuchen.“1
Verehrte Muslime!
Es ist eine Wahrheit, dass Allah die Menschen, die Er auf schönste Weise geschaffen hat, nicht herren- und zwecklos auf diese Welt gesandt hat. Als Folge dieser Wahrheit trägt der Mensch Verantwortung sowohl gegenüber seinem Schöpfer als auch gegenüber sich selbst, wie auch gegenüber seinen nahen und entfernten Verwandten. Eine der grundlegenden Verantwortungen des Menschen gegenüber seinem Umfeld ist ohne Zweifel auch die Verwandtschaftspflege (Silatu’r-Rahim). Die Verwandtschaftspflege (Silatu’r-Rahim) wird von den islamischen Gelehrten wie folgt definiert: „Verwandtschaft entsteht durch Blut-/Familienzugehörigkeit und Eheschließung. Die Verwandtschaftspflege wird verwirklicht durch Aufrechterhaltung der Beziehungen mit den Verwandten, durch Fortführung der Beziehung mit der Verwandtschaft, durch das Sorgen um sie, durch Hilfsleistung für sie und durch Besuch von ihnen.“ Die Gelehrten sehen die Verwandtschaftspflege wie das Pflichtgebet und das Fasten als obligatorisch an. Die Unterlassung der Verwandtenpflege hingegen wird ihrerseits als verboten (Haram) gewertet.
Verehrte Gläubige!
Silatu’r-Rahim, das heißt Verwandtschaftspflege, ist eine der wichtigsten Werte unseres Glaubens, der sich auf unser soziales Leben wiederspiegelt. In einem edlen Vers sagt Allah, der Erhabene: “Und dient Allah und setzt ihm nichts an die Seite; und seid gut gegen die Eltern, die Verwandten, die Waisen, die Armen, den Nachbarn, sei er verwandt oder aus der Fremde, gegen den vertrauten Freund, den Sohn des Weges und den Besitz eurer Rechte. Allah liebt den Hochmütigen, den Prahler nicht.”2 Und unser Prophet sagte in einem Hadis: “Wer an Allah und den Jüngsten Tag glaubt, soll die Verwandtschaftsbeziehung pflegen.”3
Verehrte Muslime!
Die Moderne lässt den Menschen vereinsamen. Zu meinem Bedauern muss ich feststellen, dass die Menschen vermehrt in sozialen Medien und in der virtuellen Welt nach Glück, Freundschaft und Kollegialität suchen. Wer jedoch Silatu’r-Rahim durchführt, das heißt die Verwandtenbeziehungen pflegt, sich um seine Freunde, Kollegen und Nachbarn sorgt, führt ein glücklicheres und behaglicheres Leben gegenüber denjenigen, die die Verwandtschaftsbeziehungen abbrechen. Aus diesem Grund ist es eine religiöse und weltliche Pflicht, dass sich die Menschen von den virtuellen und künstlichen Beziehungen befreien. Wir sollten versuchen, mit unseren Eltern, Verwandten und Nachbarn reale Beziehungen aufzubauen und Verbindungen bei jeder Gelegenheit, bei Festen, in den Ferien und im Urlaub auf beste Weise zu nutzen um die Verwandtschaftsbeziehungen zu stärken.
Verehrte Muslime!
Kommen sie und lassen sie uns an diesen Tagen, in denen die Urlaubssaison beginnt und unsere Herzen sich freudig in Erregung begeben, in die Heimat zu gelangen, das Glück nicht in Fünf-Sterne-Hotelzimmern, in Einkaufszentren oder im Internet suchen. Lassen sie uns nicht vergessen, dass das wahre Glück bei den Müttern, unter deren Füßen das Paradies ist, und bei den Vätern ist, die das mittlere Tor des Paradieses sind. Lassen sie uns wenn wir in der Heimat angekommen sind unsere Onkel - unsere Halbväter - und die Tanten - in Position der Mütter sind - vom Herzen umarmen. Lassen sie uns nicht vergessen, dass die Pflege der Verwandtschaftsbeziehung uns dem Paradies nähern und uns von der Hölle entfernen wird. Lassen sie uns wissen, dass wir sowohl das weltliche als auch jenseitige Glück erlangen werden; dass unsere Gaben reichhaltiger werden und dass unsere Belohnung – so Gott will - bereits in dieser Welt seitens Allah erteilt wird.
Lassen sie uns zu keiner Zeit folgende Warnungen Allahs aus dem Sinn verlieren: “Ich bin der Barmherzige. Ich selbst habe die Verwandtschaft geschaffen und ihr einen meiner Namen verliehen. Wer sich um seine Nächsten kümmert und ihr Gerecht wird, dem werde Ich gütig sein. Ich breche meine Barmherzigkeit und meinen Segen zu dem ab, der seine Beziehung zu den Verwandten abbricht.”4
Aus diesem Anlass wünsche ich von Allah, dem Erhabenen, dass alle Geschwister, die ihren Urlaub in der Heimat verbringen werden, eine angenehme Reise haben und dass sie unfallfrei, sorgenfrei, ohne Unglück und ohne Heimsuchungen zu ihren Liebsten hin- und wieder zurückgelangen.
Osman Dertli, Religionsbeauftragter
Veysel Karani Moschee, Köln
1 al-Bukhari, Bed’ul-Wahy, 6
2 Koran, an-Nisa 4/36
3 al-Bukhari, Adab, 85
4 Abu Dawud, Zakat, 45
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