Freitagspredigt
Gleichgewicht zwischen Welt und Jenseits
07.11.2014
بِسْمِ اللهِ الرَّحْمنِ الرَّحِيم
وَابْتَغِ فِيمَا آتَاكَ اللَّهُ الدَّارَ الْآخِرَةَ وَلَا تَنسَ نَصِيبَكَ مِنَ الدُّنْيَا وَأَحْسِن كَمَا أَحْسَنَ اللَّهُ إِلَيْكَ وَلَا تَبْغِ الْفَسَادَ فِي الْأَرْضِ إِنَّ اللَّهَ لَا يُحِبُّ الْمُفْسِدِينَ1
Meine verehrten Geschwister, die sich von jeglichen Übermäßigkeiten fernhalten, um Allahs Wohlgefallen zu erlangen!
Das Leben des Menschen, seine Gesundheit, sein Wohl können nur fortgeführt werden, wenn diese Gegensätze existieren, aber im Gleichgewicht sind. Der Geist und der Körper, die Welt und das Jenseits sind aneinander gebunden. Die Vernachlässigung eines dieser führt zur Störung des Gleichgewichts des Menschen.
Unsere Religion hat zwischen dem Geist und dem Körper ein stabiles Gleichgewicht hergestellt. Im Koran wird die Gemeinschaft (Umma) des Propheten als die Gemeinschaft der Mitte2 definiert, die fern von jeglichen Übermäßigen Dingen und Extremismen ist. Der Muslim sollte das Jenseits vergessend sich nicht in das weltliche Leben versinkend säkularisieren. Dem gegenüber sollte er auch nicht das weltliche Leben zur Seite schiebend sich von der Welt entfernen wie die Geistlichen.
Nur die Welt in das Zentrum zu nehmen und entsprechend der Äußerungen wie: “eifere nach dem Genuß”, “vergnüge Dich”, “lebe den Augenblick” sich zu verhalten, wird dazu führen, dass sich die gegenseitige Liebe und Hilfsbereitschaft verringert, man von der Barmherzigkeit entbehrt, mitleidslos, habgierig und geizig wird, sich Haß- und Feindschaftsempfindungen sowie materia-listischer Wahn steigern.
Meine verehrten Geschwister!
Wie folgt erzählt uns der Koran dieses Thema anhand der Geschichte von Karun (Korah), dass die Menschen um Korah herum ihm Ermahnungen aussprachen, nicht mit seinem vielen Hab und Gut zu prahlen: “Sei nicht übermütig froh, denn Allah liebt nicht diejenigen Unterdrücker, die zu übermütig froh sind, sondern trachte mit dem, was Allah dir gegeben hat, nach der jenseitigen Wohnstätte, vergiß aber auch nicht deinen Anteil am Diesseits. Und tue Gutes, so wie Allah dir Gutes getan hat. Und trachte nicht nach Unheil auf der Erde, denn Allah liebt nicht die Unheilstifter.”3 Karun aber befolgte diese Ratschläge nicht und ist dann mit seinem ganzen Hab und Gut zunichtegegangen. Denn in anderen Versen wird auch diese Schwäche des Menschen angesprochen: “Doch ihr zieht das irdische Leben vor, wogegen das Jenseits besser und bleibender ist.”4 “Ihr wollt die Güter dieser Welt, Allah aber will das Jenseits.”5
Verehrte Gläubige!
Allerdings bedeuten diese Verse nicht, “die Welt gänzlich aufzugeben.” Das weltliche Leben ist wichtig. Denn das unendliche und jenseitige Leben wird als Ergebnis unseres gottesdienstlichen Lebens eine Form und Gestalt gewinnen. Einem Gefährten, der wegen des Jenseits die Welt und die weltlichen Gaben aufzugeben plante, die Nächte mit dem Gebet, die Tage mit dem Fasten zu verbringen und sich von seiner Frau zu trennen wünschte, sagte der Prophet: “Ich schwöre bei Allah, ich habe mehr Ehrfurcht gegenüber Allah als ihr und ich hüte mich mehr als ihr vor Allah. Aber ich faste manche Tage und esse manche Tage, ich bete und schlafe auch und heirate ebenso. Wer meinen Lebensweg (Sunna) aufgibt, der ist nicht von mir.”6
Meine Predigt beende ich mit der Bedeutung eines Verses, der zum weltlichen und jenseitigen Leben einen Wunsch beinhält: “Unser Herr, gib uns im Diesseits Gutes und im Jenseits Gutes und bewahre uns vor der Strafe des Höllenfeuers.”7
Ali ÇALIŞKAN
Religionsbeauftragter, DITIB Moschee, Lustadt
1 Koran, al-Qasas, 28/77
2 Koran, al-Baqara, 2/143
3 Koran, al-Qasas, 28/76-81
4 Koran, al-A’lâ, 87/16-17
5 Koran, al-Enfal, 8/67
6 Bukhari, Nikah, 1
7 Koran, al-Bakara, 2/201