Rede von Bekir Alboga, im Plenum der Deutschen Islamkonferenz vom 07. Mai 2013

Sehr geehrter Herr Bundesinnenminister,
Sehr geehrte Damen und Herren,

Die zweite Phase der Deutschen Islamkonferenz endet nun. Ich möchte hier im Namen des Bundesvorstandes der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion, DITIB, die Arbeit aller Beteiligten dieses seit 2010 andauernden Prozesses würdigen. Dieser Prozess des Dialogs zwischen Vertretern des deutschen Staates und Muslimen in Deutschland zur Förderung des Miteinanders und den gesellschaftlichen Zusammenhalt mag von einigen als schleppend empfunden werden. Doch hat es in dieser 2. Phase der Deutschen Islamkonferenz durchaus Bewegung gegeben.

Eingehen möchte ich auf drei Schwerpunktbereiche: Institutionalisierte Kooperation, Geschlechtergerechtigkeit und Präventionsarbeit.

Bei der Etablierung einer institutionalisierten Kooperation zwischen Staat und Muslimen stellen wir fest, dass in einigen Bundesländern auf dem Weg zur vollen Anerkennung als Religionsgemeinschaft entsprechende Verträge geschossen wurden. Wenn auch die ausgehandelten Verträge nicht in allen Punkten einer vollständigen Gleichstellung zu anderen Religionsgemeinschaften entsprechen, so geht von diesem Schritt doch eine beachtliche Dynamik aus.

Somit war auch eine Menge Bewegung auf Länderebene durch die Etablierung der Studien für islamische Theologie und die Ausbildung von Religionslehrern und die damit nötige Kooperation möglich. Vertreter der Muslime sitzen in den Beiräten und beraten sich dafür in verschiedenen Gremien mit Staatsvertretern an einem Tisch. Doch auch dort gibt es noch einige Defizite. Es wird häufig eine Unsicherheit von Seiten der Behörden sichtbar, die Zuständigkeitsbereiche der Muslime, die bekenntnisorientierte Fragen betreffen, auch tatsächlich ganz und gar den Muslimen zu überlassen. Eine Einmischung und mangelndes Zutrauen in die zugebilligten Zuständigkeitsbereiche der Muslime, vor allem bei der Auswahl von Personal, ist dabei nicht immer hilfreich für die Entwicklung von Qualität.

Was im Bereich der Etablierung einer institutionalisierten Kooperation zwischen Staat und Muslimen die Fortbildung und vor allem die Ausbildung von islamischen Religionsbediensteten anbelangt, so bin ich im Hinblick auf Äußerungen von Universitäten, es würden dort Imame ausgebildet, sehr skeptisch.

Die erhoffte integrative Wirkung von in Deutschland ausgebildeten Religionsbediensteten für Moscheen und anderswo ist durchaus verständlich. Was wir in erster Linie benötigen, ist eine fundierte Forschung und Lehre in der islamischen Theologie an Universitäten. Sie muss in ihrer Wissenschaftlichkeit mit anderen Bereichen mithalten können, und dabei Innen- wie Außenperspektive verschiedener Lehrbereiche einbeziehen. Damit können notwendige Grundlagen erarbeitet werden, um darauf weiter aufzubauen. Soll die islamische Theologie auch so etwas wie eine Vollausbildung für praktische Arbeitsbereiche abliefern, darf dies nicht zu einer Überfrachtung und damit qualitativen Schwächung dieser Theologie führen. Wir täten alle gut daran, unsere Ungeduld bei der Erwartung praktischer Ergebnisse der islamischen Theologie etwas zu zügeln und ihr die Zeit zu geben, die sie braucht, um eine echte Expertise im Bereich der islamischen Theologie für Deutschland zu schaffen.

Der zweite Arbeitsbereich, Geschlechtergerechtigkeit als gemeinsamen Wert zu leben, scheint viel schwieriger. Die gewalt- und zwangsfreie Behandlung von Jungen und Mädchen, von Männern und Frauen, ist ein Thema, das tief in den Bereich persönlicher Haltungen und persönlichen Verhaltens hineingreift. Wann lernt der Mensch, wann ändert er sein Verhalten so, dass alle in gebührendem Respekt miteinander leben? Das ist eine Frage, die sich nicht nur an jedes Individuum, sondern auch an jede Pädagogik und Erziehung, auch religiöse Erziehung, richtet.

Die DIK sucht insbesondere nach Wegen, wie muslimische Frauen ihre Rechte noch stärker erkennen und geltend machen können. Das betrifft nicht nur den privaten, familiären Bereich, sondern auch den Zugang zum Arbeitsmarkt. Hier kommt dem öffentlichen Dienst eine besondere Signalwirkung zu. Dort gibt es schon seit längerem auf Bundes-, Länder- und kommunaler Ebene Bestrebungen, Migrantinnen und Migranten im Allgemeinen, und Musliminnen und Muslime im Besonderen, für den Dienst in Ämter zu gewinnen.

Sehr geehrte Damen und Herren,

Vielfalt ist eine Chance.
Dieses Verständnis von Vielfalt und Pluralität darf selbstverständlich bei Frauen, die ein Kopftuch tragen, nicht Halt machen. Obwohl die Erfahrungen in Bundesländern ohne Kopftuchverbot durchweg positiv sind, ist es in anderen geltende Praxis, dass Lehrpersonal mit Kopftuch aus den Klassenzimmern verbannt bleibt.

Aber die Signalwirkung ist und bleibt nicht nur in den Ämtern, sondern ebenfalls in anderen Anstellungsverhältnissen verheerend. Welche Begründung könnte es für ein Bauamt, für Bürgerämter oder Arbeitsagenturen geben, gut ausgebildete Musliminnen mit Kopftuch aus den Amtsstuben fernzuhalten? Hier kann man bundesweit Behörden nur ermutigen, mit gutem Beispiel voranzugehen und die Bewerberinnen nach ihrer fachlichen und persönlichen Eignung zu beurteilen. Denn nur so öffnet sich der Arbeitsmarkt nachhaltig.

Der dritte Bereich hat sich mit Prävention von Extremismus, Radikalisierung und gesellschaftlicher Polarisierung beschäftigt. Es ist der Deutschen Islamkonferenz nicht hoch genug anzurechnen, dass sie es geschafft hat, auf das Thema der Islam- und Muslimfeindlichkeit auf Nachdruck hinzuweisen.

Die Fachtagung „Muslimfeindlichkeit", die eine Arbeitsgruppe des DIK im Dezember letzten Jahres veranstaltet hat, verdeutlichte, wie fließend die Grenze zwischen Islamkritik und Islamfeindlichkeit ist. Etliche Gruppen, vor allem im Internet, betreiben Hetze unter dem Mantel von Islamkritik. Zu dieser fließenden Grenze zwei Beispiele: Zum einen die Entscheidung des Verfassungsschutzes, eine subtil rechtsrassistische Internetseite mit breiter Leserschaft unter Beobachtung zu stellen.

Ein anderes Beispiel für die Folgen fließender Grenzen von Islamkritik und Islamfeindlichkeit ist an dem Urteil und der Rüge des UNO-Anti-Rassismusausschusses, CERD, im Falle Sarrazin zu erkennen.

Unter dem Anstrich der Rechtsstaatlichkeit und der Meinungsfreiheit arbeiten Internetseiten und einzelne Akteure mit derselben Masche: sie verbinden Verteidigung von Menschenrechten mit der Hetze gegen Muslime und dringen so als Trojanische Pferde in die Mitte der Gesellschaft ein, ohne das dem irgendwie Einhalt geboten wird.

Durch solcherlei Beispiele muss man auch die Vorwürfe zurückweisen, Muslime spielten gerne die Opferrolle und würden Kritik gegen sich als Hetze hochstilisieren. Das Gegenteil ist der Fall: Solcherlei Machenschaften bleiben als Rassismus unerkannt und daher ungeahndet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,
Wie wird es weiter gehen mit der DIK? Hier und dort haben wir die Beteiligung von Muslimen aus Länder- und lokaler Ebene vermisst. So sehen wir in der inhaltlichen und personellen Zusammensetzung für eine möglicherweise dritten Phase dieser Deutschen Islamkonferenz Handlungsbedarf.

Transformationsprozesse müssen – so sie denn nachhaltig und zukunftsweisend sein sollen - Platz für Vertrauen und Gemeinschaft schaffen, um so den dringend notwendigen „sozialen Kitt“, das soziale Bindemittel herzustellen. Die Wahrnehmungs- und Entwicklungspotentiale dieser Islamkonferenz werden viel größer sein, wenn eine positive Einbettung gelingt, statt das Trennende zu betonen.

So bedeutet Sicherheit in positivem Sinne auch Garantie. Bedeutet Bürgschaft, Recht, Anrecht, Berechtigung und Gewähr, bedeutet im Kern Vertrauen, Zutrauen und Zuversicht.

All dies braucht unsere Gegenwart und Zukunft mit Sicherheit!


Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und Ihr Vertrauen!
 

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