Festtage sind Zeiten der Fröhlichkeit und Freude. Sie dienen dazu, dass sich unser Geist erholt und die zerstörten Brücken zwischen unseren Geschwistern wieder erbaut werden. Feste helfen uns, verschlossene Türen wieder zu öffnen und allmählich schwindende Verwandtschafts- und Nachbarschaftsverhältnisse zu stärken. Zudem dienen Festtage dazu, die Quote der Güte und des glücklichen Lächelns auf der Welt zu erhöhen.
Unsere erhabene Religion, der Islam, hat uns zwei auserwählte Feste geschenkt Sie stärken unsere Einheit und Eintracht und lassen uns die Atmosphäre des Paratieses bereits in der Welt spüren. Das erste dieser Feste ist das Ramadanfest, das wir als Offenbarungsanlass des Korans bereits begangen haben. Das zweite Fest werden wir mit einer großer Begeisterung in der Zeit vom 11. bis 14. August 2019 begehen. Dieses Opferfest ist ein Zeichen, unsere Annäherung zu Allah und unsere Hingabe an Ihn zum Ausdruck zu bringen. Der Opferbegriff (türk. Kurban; arab. Udhiya) umfasst die Bandbreite jeglicher materiell-spiritueller Nähe. Als religiöser Begriff bringt es im Besonderen die Darbringung einer Opfergabe von Tieren bestimmter Gattungen zu einer bestimmten Zeit um die Nähe zu Allah herzustellen.
Bei einem geschichtlichen Blick auf den Opfergottesdienst berichtet uns der edle Koran, dass einer der beiden Söhne Adams freiwillig und der andere unfreiwillig je ein Opfer dargeboten haben. Natürlich gewinnt es bei Allah als alleinigem Herren der Herzen an Wert wenn die Sache vom Herzen kommt. Schließlich wertet Allah die Herzen und die dargebrachten Taten.1 Die Opfergaben derjenigen, die eine verantwortungsbewusste und sensible Haltung darlegen, werden angenommen.
Auch wenn sich die Art und Weise unterscheidet, wurden in der Geschichte in vielen Zivilisationen Opfergaben, Opfergelübde und Opfertiere dargeboten um sich dem Heiligen zu nähern, um Hilfe vom Heiligen zu ersuchen, um Gutes einzufordern usw. Auch wenn sich die Opfergaben je nach Zvilisation unterscheiden, ist es eine archeologische Realität, dass Obst und Gemüse, Tiere oder in manchen Gesellschaften Menschen, auch junge Mädchen und sogar Kinder geopfert werden. Natürlich war es nie Ziel Allahs, des Erhabenen, dass Menschen geopfert wurden. Über Abraham (s) und seinen Sohn (s) Ismail als gemeinsamen Stammvater der drei himmlischen Religionen verkündete Allah der ganzen Menschheit die epochenüberspannende Botschaft, dieses Gräuel beendet zu haben.
Als der Vater, Abraham, davon träumte seinen Sohn zu opfern, erzählte er Ismail von seinem Traum. Dann fragte er nach der Meinung von ihm. Die Antwort seines Sohnes ähnlich in der Monumentalität der Hingabe wie die seines Vaters: „Mein Vater, tue, was dir aufgetragen wurde. Du wirst mich, so Allah will, standhaft finden.“3 Genau als der Eine sein Leben und der Andere seinen Sohn aufopfern wollte, griff Allah, der Erhabene, in die Sache ein. Allah ließ ein Opfertier zukommen und verkündete dadurch, dass dieses nicht sein eigentlicher Wunsch ist. Die göttliche Botschaft ist offen und klar: “Wenn ihr euch Allah nähern wollt, dürft ihr es nicht tun indem ihr Menschen tötet, sondern sie am Leben erhält!” Als Muslime sollten wir niemals vergessen, dass es gemäß dieser erhabenen Botschaft stets unsere Aufgabe ist, Vorreiter dafür zu sein, alles, was das menschliche Leben erhält, zu unterstützen.
An den Tagen des Opferfestes handeln wir in diesem Sinne und mit diesem Hintergedanken. Wir stellen uns symbolisch vor, anstelle von Abraham zu sein. Wir handeln mit dem Bewusstsein, dass wir uns einzig und allein Allah widmen und treten in diesem Sinne vor seine Pforte. Wir sind Angehörige eines Glaubens, der uns die Opfertiere nicht als Proteinlieferanten, d. h. “Fleisch” ansehen lässt. Sondern der Islam lässt uns die Opfertiere vielmehr als Mittel dazu erkennen, uns zu Allah und zu unseren Geschwistern zu nähern. Wir gehören zur Gemeinschaft des Propheten (s), der seine Frau fragte: “Was ist uns vom Opfertier übriggeblieben?” Auf die Antwort seiner Frau erwiderte er dann: “Also, sind uns alle gespendeten Teile übriggeblieben außer dem verbliebenen Schulterblatt, meine liebe Aischa.”3 Wir als Gemeinschaft des freigiebigen Propheten sollten globale Architekten der Freigiebigkeit und der Hilfe sein.
Gott sei Dank wird unsere Opfergaben-Organisation mit großer Transparenz, Sorgfalt und Selbstlosigkeit durchgeführt. Diesbezüglich arbeitet die Türkisch-Islamische Union (DITIB) mit der Türkischen Diyanet-Stiftung zusammen. Die Kampagne läuft dieses Jahr unter dem Motto: “Teile deine Opfergabe, nähere dich deinen Geschwistern.” In diesem Rahmen werden weltweit Opfergaben in annähernd 150 Ländern und 500 Regionen verteilt. Auch in diesem Jahr werden wir ihre Opfergaben an Millionen Familien verteilen. Daher werden wir alle gemeinsam eine Freude erleben. Wir freuen uns, ein tätliches Bittgebet für Benachteiligte und Bedürftige sein zu können. Aus Anlass des Opferfestes werden wir erneut zeigen, dass wir eine Einheit mit der großen Familie unserer Glaubensgeschwister bilden. Wir zeigen, dass sie mit ihren unterschiedlichen Ethnien, Hautfarben, Sprachen, Geschlechtern, Kulturen, Lebensformen, Weltanschauungen und Zukunftserwartungen Teil dieser einen Familie sind. Dadurch zeigen wir: Sie gehören wie die Organe eines Körpers zueinander; Sie sind wie die Ziegelsteine eines Gebäudes aneinandergekoppelt.
Als Muslime bezwecken wir eine noch friedvolle Welt für die Menschen, mit denen wir uns dieselbe Welt teilen, zu erreichen. Aber in der letzten Zeit erleben wir leider eine tiefe Betrübnis aufgrund diverser Angriffe auf unseren Glauben und auf unsere Gotteshäuser sowie Respektlosigkeit. Was auch geschehen sollte, werden wir unsere Besonnenheit nicht aufgeben. Wir werden es nicht zulassen, dass manche Personen oder Gruppierungen unsere hiesige Einheit und Eintracht mit unseren Nachbarn, mit denen wir Rücken an Rücken und Schulter an Schulter zusammenleben sowie gemeinsam unseren Schweiß rieseln lassen, zerschlagen. Möge Allah, der Erhabene, aus Anlass solcher gesegneten Zeiten denjenigen, die uns aufzuspalten versuchen, keine Gelegenheit gewähren. Möge Allah, der Erhabene, unseren Eltern, Ehepartnern, Kindern sowie Nachbarn, mit denen wir zusammen leben, Gesundheit, Wohl und Frieden gewähren. Möge Allah, der Erhabene, uns zu solchen großmütigen und toleranten Menschen machen, die sich Allah und ihren muslimischen Geschwistern nähern sowie die Menschheitsfamilie mit acht Milliarden Weltbevölkerung umarmen.
In diesem Sinne gratuliere ich der ganzen islamischen Welt zum Opferfest. Ich bitte Allah darum, dass das Opferfest unserer inneren Welt, unseren Häusern, unseren Nachbarn, mit denen wir dieselben Straßen, Stadtviertel und Dächer teilen, unserem Land und unserer Welt Frieden und Wohl bringen möge.
Kazım Türkmen
DITIB-Bundesvorsitzender