Der Mensch ist das edelste der Geschöpfe des erhabenen Allahs. Der Mensch wurde auf die Erde gesandt, damit er geprüft werde. Für dieses Erdenleben braucht er nichts so sehr wie Seelenfrieden, Vertrauen und Glück. Dieser Seelenfrieden und dieses Vertrauen kann nur dann hergestellt werden, wenn die Gebote und Empfehlungen unserer Religion eingehalten werden. Nicht umsonst beinhaltet der Begriff Islam die Bedeutungen Wohlergehen, Frieden und Geborgenheit.
Als Mensch haben wir sehr unterschiedliche emotionale Eigenschaften. Diese beeinflussen sowohl unser individuelles als auch gesellschaftliches Wohlergehen. Als Mensch haben emotionale Eigenschaften positive oder negative Wirkungen auf unsere Handlungen. Eine dieser Eigenschaften ist Wut. Diese in unserer Erschaffung veranlagte Empfindung kann sicherlich nicht völlig getilgt werden. Jedoch muss dies unbedingt unter Kontrolle gehalten werden. Ein Muslim, der eine religiöse Erziehung genossen hat und die ethischen Lehren des Korans verinnerlicht hat, sollte er seine Wut beherrschen, Geduld üben und bedächtig vorgehen können. Streit, Trubel und Gewalt in einer Familie resultieren meistens aus Wut. Wut ist solch ein Übel. Dieser heimtückische Virus macht manchmal vor nichts Halt. Er kann sich zwischen Eheleute genauso einnisten wie zwischen Eltern und Kind, zwischen Verwandte und Freunde und sogar zwischen Nachbarn. Wie ein sich schnell ausbreitendes Virus befällt er alle Organe und zerstört das ganze Wohlergehen. Weder Liebe, noch Respekt zwischen den Menschen verbleiben mehr. Auf diesem Nährboden gedeihen dann Spannungen und Hass zwischen Menschen besonders gut. Dann entstehen auch so manche Schäden, die irreparabel sind. Zerstörte Familien, verwaiste Kinder und allein zurückgebliebene Ehepartner sind das Ergebnis. Wie in der Redewendung zurecht gesagt wird: “In der Wut tut niemand gut.
Verehrte Gläubige!
Gewalt und Wut sind Handlungen, mit denen man keineswegs prahlen darf. Starke und selbstbewusste Menschen sind in kritischen Situationen stets ruhig und gelassen. Nur schwache und unvermögende Personen lassen sich hingegen von Wut verleiten. Was können wir nun dagegen tun? Wie gelingt es uns, diesen Virus zu bekämpfen und uns zurückzuhalten von Taten, die wir im Diesseits und Jenseits nur bitter bereuen würden? Was können wir gegen diese Krankheit, die unser gesellschaftliches Wohlergehen zerstört, machen? Allen voran dürfen wir nicht vergessen, dass wir aufgrund einer Prüfung auf der Erde sind. Wir sollten Geduld als größten Mechanismus zur Prävention und Kontrolle gegen die Wut ankurbeln. Der folgende Vers bringt zum Ausdruck, dass Geduld gegenüber und Überwindung von Wut ein großes Zeichen von Frömmigkeit ist: “Und wer auch immer sich geduldet und vergibt, siehe dies ist Sache von Größe und Stärke.”2
Meine werten Geschwister!
Als eines Tages der Prophetengefährte Umar (r.a.) zu Unrecht beleidigt wurde, wusste er folgende Antwort darauf: “Bei Allah! Ich kann dies sowohl mit meiner Hand als auch mit meinen Worten erwidern. Aber ich bin nun dem Islam beigetreten! Ich kann nun nicht mehr alles sagen, was mir in den Sinn kommt. Und auch nicht mehr alles machen, wonach mir ist. Ich glaube nunmehr an Allah und an das Jenseits. Ich weiß nun, dass ich dort eines Tages Rechenschaft ablegen muss. Wenn dem nicht so wäre, sähe es anders aus!”3 Umar (r.a.) antwortete so und gab eines der schönsten Vorbilder für Wutkontrolle. Und unser geliebter Prophet (s) verhieß, dass die Belohnung für jemanden, der sich von Wut und Streit fernhält, obwohl er Recht hat, lediglich das Paradies sein kann. Der Islam hatte selbst Omar (r.a.) zu einem äußerst geduldigen, vergebenden, barmherzigen und gerechten Menschen gemacht. Dabei galt er vor seinem Eintritt in den Islam als jähzorniger und wütender Mensch. Wir sollten uns alle inständig und tiefgründig fragen, inwieweit sich unser Glaube auf unseren Charakter auswirkt.
Meine Geschwister!
Nicht nur, dass Wut und Jähzorn selbst eine schlimme Krankheit sind. Sie öffnen als solche auch Tür und Tor für so manch anderes Übel. So beispielsweise für Streit, für den Bruch zwischen zwei Menschen, für Hass, Vergeltungsgelüste, üble Nachrede, Tadel sowie allerlei übles Wort und ebenso üble Taten. Weder humane noch ethische Werte lassen sie den Menschen mehr kennen. Freundschaft und Vertrauen zwischen den Menschen werden getilgt. Daher sollten wir Wut mit dem Wasser der Geduld löschen. Mit Bittgebeten sollten wir uns um Hilfe Allahs flehen. Wir dürfen nicht vergessen, dass diejenigen, die im edlen Koran und in den Hadisen gelobt und mit dem Paradies verheißen werden, jene sind, die ihre Wut überwinden und das Vergeben bevorzugen.
Ich beende meine Freitagspredigt mit der Bedeutung des am Anfang rezitierten Verses: “Jene [Gottesfürchtigen], die da spenden in Freud und in Leid und den Zorn zurückhalten und den Menschen vergeben. Und Allah liebt die Gutes Tuenden.”
Die DITIB-Predigtkommission
1 al-Bukhari, Adab 76; al-Muslim, Birr 107.
2 Ibn Madscha, Zuhd, 18; Ibn Hanbal, I, 327, II, 128.
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