Mensch bleiben können

Verehrte Muslime!

Die Schöpfungsgeschichte des Menschen beginnt mit einer Frage des Schöpfers: „Alastu bi-Rabbikum? – Bin Ich nicht euer Gott?“ So lautete die Frage Allahs an die versammelten Seelen. Diese antworten: „Balā! – Ja, Du bist das! Wir bezeugen, dass Du unser Herr bist!“1 Somit gingen sie damit einen Bund mit dem erhabenen Allah ein. Noch bevor die Erde erschaffen war und es nur Ihn gab, da hegte Allah den Wunsch, einen Statthalter [Kalif] zu schaffen. So gab er trockenem Lehm Gestalt2 und hauchte diesem von Seinem Geist ein.Und der Körper, der zuvor noch aus Lehm war, erwachte mit diesem Geist zum Leben. Es wurde Mensch, es wurde zu Adam. Die Engel warfen sich vor diesem nieder.4 Als Statthalter Allahs beehrte der Mensch als ein Wesen mit Würde und Ehre die Erde.

 

Verehrte Geschwister!

Jeder von uns erblickte das Licht der Welt als Mitglied der Familie des Propheten Adams (s). Unser Schöpfer verlieh uns Würde und Ehre.5 Mit und in all seiner Vollkommenheit wurde das Universum in den Dienst des Menschen gestellt. All die Dinge in ihm wurden für uns dienstbar gemacht. Die Propheten wurden für uns gesandt. Die Tore des Himmels wurden für uns geweitet. Es wurden Offenbarungen herabgesandt. Und schließlich wurde uns mitgeteilt, dass  für Allah der ehrenwerteste unter uns derjenige ist, der am frömmsten ist und die meiste Ehrfurcht vor Ihm hat.6

Und trotz alledem hat der Mensch nicht begriffen, dass seine eigentliche Würde und Ehre in seiner Berufung zum Dienst am Schöpfer und in seiner Zugehörigkeit zur Gemeinschaft des Propheten (s) liegen. Und all den Wert zum Trotz, den uns Allah beimisst, bemessen wir den Wert an Rang und Stellung, an Amt und Würden oder am Besitz. Je mehr wir uns von unserem Schöpfer entfernen, entfernen wir uns voneinander aber auch von uns selbst.

Mit jedem Tag entfernen wir uns mehr vom Sinn und Zweck unserer Schöpfung. Wir entfernen uns von unserer Dienerschaft. Wir entfernen uns vom aufrechten Glauben und von moralisch-ethischen Werten. Wir verzetteln uns in Angelegenheiten, die in ihrer Bedeutung eigentlich nicht über den Tag hinausgehen. Wir stecken im Egoismus, Ehrgeiz und in unersättlicher Gier fest. Diskriminierung, Rassismus, Ausbeutung, Gewalt, Terror, Krieg, Missbrauch, Hungersnot und noch viele andere globale Probleme nehmen uns unter ihre Geißel. Sie alle sind momentan eine große Prüfung für uns als Weltenbewohner.

Dabei hat uns unser Prophet (s) den Weg gewiesen, ein menschenwürdiges Leben zu führen. Er ließ uns wissen, dass es uns als Übel genügt, einander geringzuschätzen. Und er ließ uns wissen, dass Leben, Besitz und Würde eines Muslims unantastbar sind.7 Er erinnerte uns daran, dass der Weg zur Vollkommenheit eines Gläubigen und dass der Weg ins Paradies nur dadurch geebnet wird wenn wir einander lieben.8

 

Verehrte Geschwister!

Der Islam lehrt uns, dass der Mensch ein ehrenwertes Geschöpf ist. Der Schwarze ist ebenso ehrenwert wie der Weiße. Der Arme wie der Reiche sind ehrenwert und der Diener ebenso. Der Tote ist genauso zu respektieren wie der Lebendige. Der Prophet (s) sagte in seiner Abschiedspredigt: „Euer Herr ist derselbe und euer Ahn ist derselbe. Ihr seid alle Kinder Adams und Adam ist aus Lehm geschaffen. Der Araber hat dem Nichtaraber nichts voraus und der Weiße nicht dem Schwarzen. Das Einzige, worin sie sich übertreffen können, ist ihre Frömmigkeit und ihre Ehrfurcht vor Allah.“9 Mit seiner Abschiedspredigt beleuchtete er bereits vor Jahrhunderten unsere Tage. Regelrecht belehrte er diejenigen, die die Menschen nach eigenen vergänglichen und weltlichen Werten zu kategorisieren versuchen.

O Allah! Gemeinsam mit unseren Geschwistern, die heute die Reihen dieser Moschee befüllen, erheben wir unsere Hände. Wir erneuern gemeinsam unseren Bund mit Dir. Wir bekunden unsere Loyalität gegenüber Dir und Deinem Gesandten mit den Worten: „La ilahe illallah, Muhammadun rasulullah.“

Wir bitten Dich, dass Du uns stärkst um die verletzte Würde der Menschen wieder herzustellen. Gib uns Kraft, dass wir den Weg unseres Propheten, den Du uns als bestes Vorbild und als Wegweiser gesandt hast, befolgen. Überlasse uns nicht unserem eigenen Ego! Trenne uns nicht von Deinem rechten Weg! Gewähre uns die Gunst, unsere Seelen als Gläubige übergeben  zu können! Amin.

 

Predigtkommission DITIB Köln

 

 

1 Koran, al-A’raf, 7/172.

2 Koran, al-Hidschr, 15/26.

3 Koran, al-Sadschda, 32/9.

4 Koran, al-Baqara, 2/34.

5 Koran, al-Isra, 17/70.

6 Koran, al-Hudschurat, 49/13.

7 al-Muslim, Birr, 32.

8 al-Muslim, Iman, 22.

9 Ahmed b. Hanbal, V, 411.

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