Meinungsfreiheit und gesellschaftliche Partizipation im Islam

بِسْمِ اللهِ الْرَحْمَنِ الْرَّحِيمِ
                                                                                                
وَ قُلِ الْحَقُّ مِن رَّبِّكُمْ فَمَنْ شَاۤءَ فَلْيُؤْمِنْ وَمَنْ شَاۤءَ فَلْيَكْفُرْ

Bismillahirrahmanirrahim
[Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen]
„Die Wahrheit ist nun von eurem Herrn gekommen. Wer will, der soll nun glauben, und wer will, leugnen.“

[Sure „Kahf“, Vers 29]

قَالَ النَّبِيُّ صَلَّى اللهُ عَلَيْهِ وَ سَلَّمَ "الْجَمَاعَةُ رَحْمَةٌ وَ الْفِرْقَةُ عَذَابٌ"

Unser Prophet (s.a.w.) sagte: “In der Einheit ist Segen und Leid im Auseinandergehen.”

[Kenzu'l-ummal, III, 276, (6480)]

Verehrte Gläubige,

in allen Ebenen des gesellschaftlichen Lebens gehören für den Islam Liebe und Barmherzigkeit, aber auch das gegenseitige Zuhören und die Achtung des jeweils Anderen und seiner Meinung, zu den unabdingbaren Bedingungen in den zwischenmenschlichen Beziehungen. Despotismus und Unterdrückung jeglicher Spielart hingegen werden abgelehnt. Belegt und aufs Schärfste gerügt werden despotische Personen und Gruppen im Koran mit Begriffen wie "mutakabbir", "mustakbir", "dschabbar", "fachur" oder "anid". Denn Unterdrückung ist dem Wesen des Menschen, des ehrenwertesten aller Geschöpfe auf Erden, fremd. So stellt uns Allah selbst das Glauben an Ihn frei, wenn Er uns im Koran wissen lässt: „Die Wahrheit ist nun von eurem Herrn gekommen. Wer will, der soll nun glauben, und wer will, leugnen.“ [1] Denn nur freie Menschen sind verantwortlich für ihre Taten. Kann es dann im Sinne Allahs sein, dass die Menschen einander unterdrücken? Kann Er Wohlgefallen daran haben?

Die „natürlichen Rechte“ des Menschen zu wahren, die Ihnen Allah kraft Geburt gewährt hat, ist in einer Atmosphäre der Unterdrückung nicht möglich. Es wird ihnen nicht möglich sein, in einer solchen Atmosphäre der Gesellschaft dienliche Ideen zu entwickeln, oder diese zur Aussprache zu bringen, ebenso wenig sie hier das Recht verteidigen und das Unrecht schelten können. Und dies wird sich letzten Endes negativ auswirken auf die Gesellschaft und ihre materielle wie immaterielle Entwicklung. Daher hat man den Gesandten Allahs in gesellschaftlichen Fragen nie sagen hören: „Ich will dies folgendermaßen! Es geschieht nur das, was ich will!“ Ganz im Gegenteil legte er sogar Wert darauf, unterschiedliche Meinungen einzuholen. So richtete er sich z.B. in der Grabenschlacht nach der Meinung der Mehrheit, obwohl er selbst anders dachte. Dass unser Prophet (s.a.w.) vor seinem Abscheiden von dieser Welt keinen Nachfolger als Führer der jungen Gemeinde bestimmt hat, ist hier ebenfalls als Ausdruck dieser seiner Achtung vor dem freien Willen der Gesellschaft zu werten. Denn er vertraute den Entschlüssen der von Irrglauben unbefleckten Gewissen und wusste, dass seine Gemeinde sich nicht für und um eine falsche Entscheidung zusammen finden konnte.

Verehrte Gläubige,

aktuell können wir beobachten, welchen Chaos und welche Unterdrückung muslimische Gesellschaften oder Staatsführungen in ihrer jeweiligen Gesellschaft verursachen, wenn sie den Wert, den der Islam und sein Prophet auf den gemeinsamen Willen und  Verstand der Gesellschaft, aber auch auf die Entscheidungsfreiheit der Menschen legen, vergessen oder übersehen wollen. Tränen und Leid, ausgelöst von ungerechter Unterdrückung und ebensolchen Ambitionen, ziehen nur das eigene leidvolle Ende nach sich, wie uns die Geschichte lehrt.

Verehrte Muslime,

die Freiheits- und Demokratiebewegungen, die wir dieser Tage in einigen islamischen Ländern erleben, zeigen uns nicht nur, dass der Islam gegen Unterdrückung und Despotismus ist, sondern gleichzeitig auch den Wert, den er auf eine pluralistische Gesellschaftsordnung legt.

Wir Muslime in Deutschland, sollten hier der Möglichkeiten, die uns die demokratische Ordnung des Landes bietet, bewusst sein und uns im Rahmen der geltenden Regeln und Gesetze konstruktiv in Gesellschaft und Politik einbringen. Bei dieser Gelegenheit erinnere ich noch einmal daran, wie wichtig individuelle, sich seiner Verantwortung bewusste Freiheiten sowie das Einbringen in Gesellschaft aus Sicht des Islam sind.

Möge unser erhabener Herr uns individuell aber auch als Gesellschaft ein friedliches Leben schenken, gegründet auf eine eben solche Geisteshaltung und Ordnung.

[1] Kahf, 18/29.                                                                                                                                                     Predigtkommission DITIB Köln


   

 


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