Sei ihr Freitag gesegnet, meine geehrten Geschwister!
Wir befinden uns im segensreichen Monat Dhul-Hidja. In diesem Monat segnet Allah, der Erhabene, Zeit und Raum. Mit Seiner Barmherzigkeit und Seinem Segen umschließt Allah diesen Monat. Mit seinem Attribut “Barmherzigkeit” (Rahman) zeigt sich Allah diesem Monat. Morgen treffen sich hunderttausende Pilgernde an der Dschabalu´r-Rahma. Sie umarmen sich dort am Berg Arafat in Mekka. Am Sonntag werden wir unsere Opfergaben darbieten. Unsere Opfergaben werden zur Hoffnung für Bedürftige, Notleidende und Vereinsamte. Somit werden unsere Opfergaben zur Feierlichkeit am Festtag. Es ist der Tag der Barmherzigkeit. Es ist der Tag, glücklich zu sein, wenn andere glücklich sind. Es ist der Tag, nicht “ich”, sondern “wir” zu sagen. Es ist der Tag, das entfachte Feuer im Inneren der Menschen zu spüren. Es ist der Tag, das Leid der aller Bedürftigen und Vereinsamten in der Welt zu spüren. Es ist Zeit, das innere Feuer von allen Unterdrückten und Notleidenden zu spüren. Es der Tag, das Leid von Flüchtlingen, die ihre Häuser und Heimat verlassen mussten, zu spüren. Es ist Zeit, die Körper von leblosen Kindern, die an die Küste gespült werden, zu spüren.
Meine Geschwister!
Der Islam verspricht irdisches und jenseitiges Glück für die ganze Menschheit. Unsere Religion, der Islam, legt uns die größte Verantwortung auf, einander Geschwister zu sein. Die Geschwisterlichkeit im Islam ist keine Auswahlsache. Im Gegensatz: Es ist vielmehr eine Notwendigkeit. Diese Notwendigkeit entspringt aus unserem Glauben, unserer Geschichte und unserer Tradition. Schließlich verkündet uns der erhabene Allah: “Die Gläubigen sind [einander] Geschwister.”1 Außerdem erfordert das folgende Gebot unseres geliebten Propheten (s) die Notwendigkeit, eine Geschwisterlichkeit aufzubauen: “O Diener Allahs! Seit einander Geschwister!”2
Der folgende Vers wird der “Isar-Vers” genannt. Er bringt die Geschwisterlichkeit zwischen den Ansar (Helfenden Medinensern) und den Muhadschirin (Geflüchteten Mekkanern) sehr gut zum Ausdruck. Vor allem bringt er zum Ausdruck, weiterhin Geschwisterlichkeit zu üben: “Und diejenigen, die in der Wohnstätte und im Glauben vor ihnen zu Hause waren, lieben (all die,) wer zu ihnen ausgewandert ist. Und sie empfinden in ihren Brüsten kein Bedürfnis nach dem, was (diesen) gegeben worden ist. Und sie ziehen (diese) anstatt ihrer selbst vor, auch wenn sie selbst Mangel erleiden. Und diejenigen, die vor ihrer eigenen Habsucht bewahrt bleiben, das sind diejenigen, denen es wohl ergeht.”3
Die natürliche Schlußfolgerung zu glauben, ist es, die Glaubensgeschwister zu lieben. Die natürliche Schlußfolgerung der Geschwisterliebe ist es, Isar zu üben. Isar bedeutet, Selbstlosigkeit zu üben. Isar bedeutet, andere zu bevorzugen anstatt seiner selbst. Schließlich wurde Isar in der Übersetzung des Verses wie folgt wiedergegeben: “sie ziehen (diese) anstatt ihrer selbst vor, auch wenn sie selbst Mangel erleiden.” Sie verwendeten also in ihrer Hand befindliche Mittel für Andere obwohl sie diese selbst bräuchten. Sie sind selbstlos. Zudem ziehen sie Andere ansatt ihrer selbst vor.
Meine verehrten Geschwister!
In unserer Tradition gibt es sehr viele Beispiele dafür, wie wirksam Isar ist. Es ist wirksam zur Gewährleistung des gesellschaftlichen Friedens und der Geschwisterlichkeit. In den Quellen gibt es eine besonders lehrreiche Geschichte, welche als “Geschichte der sieben Häuser” genannt wird: “Eines Tages wurde einem Gefährten des Propheten (Sahaba) ein Schafskopf geschenkt. Er sagte sich: “Mein folgender Glaubensgeschwister und seine Familie sind mehr darauf angewiesen als wir.” Daraufhin ließ er diesem das Geschenk zukommen. Dieser wiederum ließ es einem anderen zukommen. Folglich ging der Schafskopf sieben Häuser herum. Am Ende gelangte es schließlich zurück zum ersten Haus.”4
Ja! Anstatt von Glück für eine kleine Minderheit bezweckt der Islam ganzheitliches Glück. Das ist das Ziel und Zweck des islamischen Verständnisses von Geschwisterlichkeit.
Es darf folgendes nicht vergessen werden: Unser Glück ist verborgen im Glück von Anderen! Niemand, der Andere nicht beglückt und erfreut, kann kein wahres Glück. Ebenso auch keine wahre Freude erlangen. Isar ist das Rezept für eine glückliche und wohlerfüllte Gesellschaft. Isar ist Zement für Geschwisterlichkeit, Einheit und Eintracht. Isar ist eine Versicherung gegen Geiz, Armut und Gleichgültigkeit. Wenn der Gläubige in Bezug auf Eigentum, Geist und Bittgebete seine Geschwister bevorzugt, holt er die Zeit der Glückseligkeit des Propheten in seine Zeit. Dadurch wird ihm auch der Lob des Korans zuteil. Genauso wie das Lob für die Medinenser, die ihre Arme für die geflüchteten Mekkaner öffneten.
Selig sind diejenigen, die ihre Herzen vom Übel des Egoismus befreien!
Selig sind diejenigen großherzigen Menschen, deren Herzen für ihre Geschwister schlagen!
Die DITIB-Predigtkommission
1 Koran, al-Hudscurat, 49/10
2 al-Muslim, Birr, 28
3 Koran, al-Haschr, 59/9
4 Elmalılı Hamdi Yazır, Hak Dini Kur’an Dili, VII, s. 503