Das Leid der Menschen in Gaza stürzt die Muslime und alle mitfühlenden Menschen in Deutschland in tiefste Trauer und Hilflosigkeit. Wenn wir Werte wie Menschenrechte und Gerechtigkeit ernst nehmen, dürfen wir nicht länger schweigen und sind dazu aufgerufen, unser Gewissen zu befragen, ob nicht eine deutliche Stellungnahme zu der Eskalation der Gewalt in Gaza unsere Bürgerpflicht ist und ob diese Pflicht nicht gerade auch aus unserer historischen Verantwortung in Deutschland resultiert.
Gleichzeitig erleben wir mit großem Bedauern und mit tiefer Sorge, wie der gegenseitige Hass und die Gewalt zwischen den Menschen in Gaza und Israel auf unsere deutsche Gesellschaft übergreifen. Als Folge dieser Entwicklungen erleben wir bei Demonstrationen und in sozialen Medien eine zunehmend besorgniserregende Haltung gegen unsere jüdischen Mitbürger, die in Gewalt gegen Einzelne und in Anschlägen auf Synagogen - wie zuletzt in Wuppertal - gipfelt.
Wir sprechen der Wuppertaler Gemeinde unser aufrichtiges Mitgefühl aus und verurteilen diesen Anschlag auf das Schärfste. In der Hoffnung, dass derartige Übergriffe sich nicht wiederholen, bekunden wir der jüdischen Gemeinde in ganz Deutschland unsere Solidarität.
Gerade als Muslime in Deutschland, die einem zunehmenden antimuslimischen Rassismus ausgesetzt sind und deren Moscheen immer wieder Ziele von Anschlägen werden, ist uns die damit einhergehende Furcht und Verunsicherung leider allzu vertraut. Wer den Glauben anderer beschimpft, Menschen verletzt oder gar ihren Tod billigend in Kauf nimmt, kann sich auf keine Religion oder Weltanschauung berufen, noch Verständnis erwarten.
Der Koran fordert den umfassenden Schutz des Lebens und der Gotteshäuser. Deshalb muss uns auch die Unversehrtheit des Lebens und der Gotteshäuser unserer jüdischen Mitmenschen am Herzen liegen. Im Koran heißt es: „Und wenn Allah nicht die einen Menschen durch die anderen abgewehrt hätte, so wären fürwahr Klöster, Kirchen, Synagogen und Moscheen zerstört worden, in denen Allahs Name häufig genannt wird.“ (Sure 22, 40)
Selbst in den schwierigsten Situationen haben Muslime Gotteshäuser, Religionsgelehrte, Frauen, alte Menschen und Kinder in Schutz zu nehmen. Dies ist uns ein Vermächtnis unseres erhabenen Propheten Muhammed (s.a.v.). Niemand hat das Recht und die Befugnis dieses Vermächtnis zu beschädigen und den gesellschaftlichen Frieden zu stören.
Wir hoffen, dass unsere Mühen für ein friedliches Zusammenleben in Deutschland, nicht durch Gewalt und Hass zunichte gemacht werden. Wir müssen uns davor hüten, dass Hass und Verachtung, die sich in den gegenwärtigen Konflikten Bahn brechen, Besitz von unserem Denken und Handeln ergreifen. Vielmehr müssen wir diesen Hass überwinden und durch unser gegenseitiges Mitgefühl ein Zeichen für ein friedliches Zusammenleben setzen.