Unabhängiger Expertenkreis Muslimfeindlichkeit veröffentlicht Bericht

Bundesregierung und Länder sind nun in der Pflicht

Köln, 29.06.2023: Der Expertenkreis hat heute vormittag am 29. Juni 2023 seinen Abschlussbericht vorgestellt. Die Mitglieder untersuchten, analysierten und bewerteten in knapp 22 Monaten Arbeit die Diskriminierungs- und Gefährdungserfahrungen und die gesellschaftlichen Debatten rund um Muslime. Dabei haben sie sowohl wissenschaftliche Erkenntnisse, tagesaktuelle Entwicklungen und Diskussionen, aber auch die Binnenperspektive der Muslime in ihre Arbeit einfließen lassen.

Die DITIB dankt dem Expertenkreis für die professionelle und gewissenhafte Arbeit und begrüßt die Ergebnisse des Expertenkreises wie auch den Empfehlungskatalog für die Politik und staatliche Akteure und Einrichtungen. Der Expertenkreis hat seine Verantwortung erfüllt.

Die Forderungen des Expertenkreises, welche sich in großem Maße mit den Forderungen der DITIB und muslimischer Organisationen decken halten wir für wertvoll. Insbesondere die Forderungen nach einem Bundesbeauftragten, unterstützt von einem Sachverständigenrat ist wichtig für Nachhaltigkeit. Empfehlungen, die Teilhabe von Muslimen in staatlichen Institutionen zu fördern, der Alltagsdiskriminierung entgegenzuwirken und das Bewusstsein für das Problem bei MitarbeiterInnen staatlicher Einrichtungen wie LehrerInnen, ErzieherInnen oder PolizistInnen zu stärken, werden von der DITIB besonders unterstrichen und unterstützt. Ebenso wie die Forderung nach mehr wissenschaftlichen Studien zum Thema und der verpflichtenden Auseinandersetzung mit der Problematik in Schulen.

Denn die Befunde sind „bitter“, wie die zuständige Ministerin Faeser feststellt: „Viele der 5,5 Millionen Musliminnen und Muslime in Deutschland erleben Ausgrenzung und Diskriminierung im Alltag – bis hin zu Hass und Gewalt.“ Man werde alles tun, um Diskriminierungen abzubauen und Musliminnen und Muslime besser vor Ausgrenzung zu schützen.

Nun ist es an Politik und zuständigen Institutionen, die Empfehlungen umzusetzen, diesem Versprechen gerecht zu werden und den deutschen Muslimen ein deutliches Signal zu senden: „Ihr seid Teil unserer Gesellschaft und eure Sorgen und eure Sicherheit ist dem Staat, ist uns genauso wichtig. Wir halten zusammen!“

Die DITIB fordert dringlichst die Berufung eines Beauftragten gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit, der die Umsetzung der Maßnahmen begleiten und voranbringen kann.

Auf keinen Fall darf ein Vergessen einsetzen, auf gar keinen Fall darf es ein „weiter so“ bei den (oft ausbleibenden) Reaktionen gegen Muslimfeindlichkeit geben.  

Allerdings lassen allein schon die Terminierung der Pressekonferenz und der anschließenden Präsentation des Berichts Skepsis aufkommen, hat doch das Bundesministerium des Inneren die Präsentation auf den 2. Tag des Islamischen Opferfestes gelegt und somit die Funktionäre der Islamischen Religionsgemeinschaften tatsächlich an ihrem wichtigsten religiösen Fest des Jahres ihren Familien und Gemeinden entzogen. Dass die Ministerin selbst dennoch nicht anwesend war, sondern die zuständige Staatssekretärin für das Ministerium den Bericht entgegennahm, erschwert diesen Umstand zusätzlich. Dieses zeugt von Unsensibilität und zeigt, dass noch viel mühsamer Weg vor uns liegt, wenn Muslime sich von Politik und Gesellschaft wirklich wertgeschätzt fühlen sollen.

Nach einer besorgniserregend großen Welle von Übergriffen auf Moscheen von Bombendrohungen bis hin zu Brandanschlägen und einer Atmosphäre der Dämonisierung, Ausgrenzung und Diskriminierung der Muslime hat die DITIB bereits am 17. Februar 2020 in ihrer Pressemitteilung gemahnt: „Terror gegen Muslime: Was muss noch geschehen, damit das Schweigen bricht“
Die Sorge der Muslime war in der Tat sehr groß. Das Schweigen der Politik nicht zu überhören. Bedenken von Muslimen wurden oft als „gespielte Opferrolle“ diskreditiert. Dass die Realität eine andere war, die Mahnung und der Aufschrei der DITIB mehr als berechtigt, sollte sich nur zwei Tage später auf schlimmste Weise bewahrheiten.

Am 19. Februar 2020 tötete ein ideologisch aufgeladener rechtsextremistischer Terrorist 9 junge Menschen in Hanau, die er als „anders“, „fremd“ und „muslimisch“ markierte.

In seinem Bekennerschreiben wird nicht nur die tiefe Menschenfeindlichkeit des Terroristen deutlich, sondern auch sein besonderer Hass insbesondere gegen „muslimisch wahrgenommene Menschen und Völker“. Aber auch seinem tiefen Antisemitismus gibt er in seinem Schreiben freien Lauf.

Wie so oft, suchte die Politik am ersten Tag des Terrors von Hanau nach der richtigen Reaktion und enttäuschte erneut. Die muslimfeindliche Atmosphäre, die wesentlichen Beitrag zu der Eskalation hatte, wurde in den Reaktionen der Politik vollkommen ausgeblendet. Lediglich die Integrationsbeauftragte Widmann-Mauz hatte am ersten Tag Rückgrat, diesen wesentlichen Aspekt der Tat zu benennen. Erst auf den Protest muslimischer Religionsgemeinschaften im Koordinationsrat der Muslime (KRM) und migrantischer Organisationen reagierend war die Politik bereit, das Problem der Muslimfeindlichkeit beim Namen zu nennen.

Eine der sieben Forderungen des Koordinationsrates der Muslime nach dem Terror von Hanau war die Einrichtung einer Expertenkommission Muslimfeindlichkeit, denen Bundesinnenminister Horst Seehofer zustimmte und Umsetzung versprach. Am 1. September 2020 erst berief der damalige Bundesinnenminister die Mitglieder der „Unabhängigen Expertenkommission für Muslimfeindlichkeit“ mit den Worten: „Muslimfeindliche Haltungen sind nicht nur eine Bedrohung für Muslime, sondern für den gesellschaftlichen Zusammenhalt insgesamt.“

Im Rahmen der Vorstellung der Ergebnisse des Expertenkreises sagte DITIB Generalsekretär Eyüp Kalyon:  „Ungeachtet der Begleitumstände begrüßt die DITIB die Gründung, die Arbeit und den Bericht des Expertenkreises und dankt in der Person von Herrn Prof. Dr. Rohe allen Mitgliedern, für ihre sehr wertvolle und gute Arbeit. So wie die DITIB im Vorfeld stets mahnend auf die Probleme hingewiesen hat, so wird sie auch zukünftig die Umsetzung der Empfehlungen und Maßnahmen konstruktiv begleiten. Sie wird, wenn nötig, kritisch mahnen, und wenn nötig, konstruktiv unterstützen. Sie wird die Stimme der deutschen Muslime bleiben und unbeirrt Ihren Beitrag für die Beheimatung der Muslime in Deutschland leisten.“  


DITIB-Bundesverband

Cookies erleichtern die Bereitstellung unserer Dienste. Mit der Nutzung unserer Dienste erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies verwenden.

Wir verwenden außerdem Dienste zur Analyse des Nutzerverhaltens und zum Einblenden von Werbung. Um weitere Informationen zu erhalten und ein Opt-Out-Verfahren einzuleiten klicken Sie bitte auf „Weitere Informationen“.