Am Karfreitag gedenken unsere christlichen Nachbarn und Freunde an die Kreuzigung Jesu Christi. Am Ostersonntag feiern sie in Gottesdiensten seine Wiederauferstehung. Viele haben sich mit Fasten auf diese spirituelle Ostertage, welche das wichtigste christliche Fest darstellen, vorbereitet. Ostern ist somit ein Hochfest der Ambivalenzen. Es ist die Zeit des Verzichts und der Trauer. Gleichsam ist es auch ein Fest der Hoffnung in größter Not. So sehr, wie der Tod Teil des Lebens und unserer Realität ist, so ist der Glaube unserer christlichen Geschwister an die Auferstehung Jesu Symbol dafür, dass der Tod eben nicht das Ende der Existenz ist. Vielmehr ist es eine Verheißung auf ein ewiges Leben im Reich Gottes. Ebenso ist die Wiederauferstehung ein Aufruf für einen Neubeginn in Zeiten dunkelster Bedrohungen und größter Hoffnungslosigkeit. Es spendet neue Hoffnung und Zuversicht und stellt eine Stärkung des Glaubens an Gottes Gnade und Liebe dar.
Diese Verheißung auf ein besseres Leben sowohl im Dies- wie auch im Jenseits eint uns als Gläubige der monotheistischen Religionen, egal ob wir als Muslime in diesen Tagen den Fastenmonat Ramadan begehen, als Christen die Ostertage feiern oder als Juden mit dem Pessach Fest die Befreiung aus der Sklaverei zelebrieren. Gemeinsam lernen wir das Leid, den Verzicht und die Erschwernis zu erdulden, um am Ende Gottes Liebe, Fürsorge und Gnade in Form neuer Gaben zu erfahren.
In seiner Predigt zum Ostersonntag hatte der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, dies mit folgenden Worten verdeutlicht: „Wenn wir die Hoffnung verlernen, verlernen wir das Zutrauen zum Leben“. Weiterhin betonte Bischof Bätzing in seiner Osterbotschaft: „Nur wer hofft, kann sein Leben gut führen. Wer die Hoffnung verlernt, verlernt das Zutrauen zum Leben.“
Diese Worte haben dieses Jahr nicht an Bedeutung verloren, im Gegenteil, sie sind wirkungsvoller als je zuvor. Denn nach Jahren der Pandemie, der Klimadebatten, der Jahrhundertflut und einem Krieg vor unserer Haustür, in der Ukraine, haben die Menschen Hoffnung nötiger als je zuvor. Ganz besonders gilt das für unsere Mitmenschen aus dem Nahen Osten, wo am 6. Februar diesen Jahres eines der schwersten Erdbeben der Menschheitsgeschichte weit über fünfzigtausend Menschenleben gekostet und unzählige Städte in der Türkei und in Syrien verwüstet hat. Dabei wurden die Trümmer nicht nur zu Massengräbern für die Menschen und die Hoffnung ihrer Angehörigen. Auch ein Teil der Menschheitsgeschichte wurde in diesen Trümmern begraben, insbesondere in Städten wie Antakya oder Hatay, die nicht nur ein Weltkulturerbe für die Christen und Muslime, sondern für viele weitere Glaubensgemeinschaften, die in der Region seit Jahrhunderten, gar Jahrtausenden nebeneinander existieren.
So sehr diese Tragödie die ganze Region erschütterte, so hat die weltweite Solidarität und Hilfsbereitschaft, ganz besonders aber auch die Hilfsbereitschaft in Deutschland über alle Religionsgrenzen hinaus, uns näher gebracht. Haben Kirchen und Moscheen letztes Jahr noch gemeinsam zu Hilfe und Solidarität für geflüchtete Ukrainerinnen und Ukrainer aufgerufen und ihre Möglichkeiten für schnelle Hilfe und eine Willkommenskultur mobilisiert, so taten sie es dieses Jahr für die Opfer der Erdbeben in der Türkei und in Syrien.
Mögen diese gemeinsamen Bemühungen, die Leid lindern und neue Hoffnung schenken, diese Zeiten der Krisen überdauern und zu einer bleibenden und verbindenden Kraft unserer Gesellschaft auch in kommenden Tagen der Zuversicht und der Freude werden. Denn nur gemeinsam können wir die im Krieg und durch Naturkatastrophen zerstörten Städte wieder aufbauen. Und nur gemeinsam können wir einen Neubeginn, ganz im Sinne der Osterbotschaft, auch in Zukunftsfragen wie dem Klimawandel anstreben. Möge unser Glaube hierfür eine Rechtleitung sein, und sich unser Leben und die Nutzung der Natur nicht nur nach Bedürfnissen, sondern nachhaltig in Achtung der Schöpfung und in Würdigung der Gnade Gottes ausrichten.
Religionen haben in Zeiten großer Not nicht nur die Aufgabe, Hoffnung zu geben. Sie müssen gleichzeitig auch Wege aufzeigen, wie die Zukunft besser gestaltet werden kann. Sie haben die Aufgabe, den Zusammenhalt und die Hilfsbereitschaft zu fördern und zum Teilen zu motivieren, auch wenn das Geben zunächst schwer fällt. Denn sie können aufzeigen, dass durch das Geben, das, was wir behalten und erhalten, nicht weniger, sondern mehr wird. Das lehrt uns das christliche Osterfest und das lehrt uns auch der Fastenmonat Ramadan.
In diesem Sinne wünschen wir unseren christlichen Nachbarn, Freunden und Geschwistern besinnliche Osterfeiertage.
DITIB Bundesvorsitzender