Vom 13.-15. Januar 2012 hat der DITIB-Dachverband in Bonn einen Workshop zum Thema “Frauenaktivitäten in den Moscheegemeinden” veranstaltet. Teilgenommen haben an diesem Workshop die weiblichen Religionsbeauftragten aus den unterschiedlichen Landesverbänden sowie Vertreterinnen der Sozialwissenschaften.
Zu den Gästen des Workshops gehörten der Vorsitzende der Türkisch Islamischen Union Prof. Dr. Ali Dere, die Abteilungsleiterin der DIYANET für Familie und Religiöse Führung Assistant Professor Dr. Huriye Martı, Dr. Zekiye Demir von der Abteilung für Außenbeziehungen der DIYANET, die Psychologin Dr. Emine Seçmez, die Landesverbands- und Projektkoordinatorin der DITIB Ayten Kılıçarslan, die Theologinnen Şeyda Can und Ulviye Ezerbolatoğlu, die Sozialpädagogin Sebiha Küman sowie Dr. Fatma Bayraktar Karahan, Mitglied des Obersten Religionsrates der DITIB.
Der Workshop, der mit Unterstützung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) durchgeführt wurde, befasste sich mit der Wahrnehmung der muslimischen Frau in den Moscheegemeinden aber auch in der Gesellschaft allgemein sowie mit den Frauenaktivitäten, die hier durchgeführt werden. Mit diesem Workshop im Rahmen des Projekts “Anstoß” wurden auch die Ergebnisse einer zuvor durchgeführten Umfrage zum Thema “Frauen in den Moscheegemeinden” vorgestellt. Diese sowie die Ergebnisse des Workshops selbst werden in einem zweisprachigen Handbuch veröffentlicht. Eröffnet wurde der Workshop von der Leiterin des Projekts Yasemin Metin.
In seiner Rede unter dem Titel “Neue Ära in den Frauenaktivitäten” sagte der Vorsitzende der DITIB Prof. Dr. Ali Dere: “Wenn es um Frauen geht, diskutieren wir diese Themen nicht nur über das real Existierende, sondern manchmal auch über unsere Wahrnehmung, unsere Vorurteile und Wertvorstellungen. Denn bestimmt wird unsere Wahrnehmung ihrer mehrheitlich von Vorurteilen. Auf diese und damit auf Geschlechterdiskriminierung kann eine harmonische und ausgewogene Gesellschaft aber nicht aufgebaut werden. In einer Gesellschaft, in der ein Teil ungerechter Behandlung, Vorurteilen und Entbehrungen ausgesetzt ist, kann keine Harmonie herrschen. Dies ist nur möglich in einer Gesellschaft, in der die Frauen gleichbehandelt werden und Selbstvertrauen entwickeln können. Zur Frauenarbeit gehört daher, dass zunächst die vorhandenen Probleme analysiert werden, um diese als zweiten Schritt im Rahmen der Möglichkeiten und Angebote Lösungen zuzuführen. Dadurch können wir unseren Frauenaktivitäten einen Auftrieb oder eben “Anstoß” geben. Dazu gehört auch, dass wir zurückgreifen auf die Erfahrung und die Angebote anderer Einrichtungen und diese bei Bedarf - und dieser ist mehr als gegeben - in unsere Gemeinden hineintragen.”
Die dreitägige Veranstaltung bot zudem Gelegenheit für weitere Beiträge. Dr. Zekiye Demir stellte in diesem Rahmen die Ergebnisse ihrer 2011 veröffentlichten Studie zum Thema “Frauen in Deutschland” vor, für die über 1500 Frauen in Deutschland befragt wurden. In ihrem Beitrag zum Thema “Religion und Geschlecht” zeichnete die Theologin Ulviye Ezerbolatoğlu die Wege nach, die zur Entstehung dieses Problems geführt haben und zeigte gleichzeitig auf, welche Interpretations- und Lösungswege sich bieten für Muslime von heute.
Şeyda Can, Theologin bei DITIB, stellte eine Feldstudie vor, die im Vorfeld des Workshops Ziele, Qualität und Problemfelder der Frauenaktivitäten in den DITIB-Gemeinden untersucht hat. Die Pädagogin Ayten Kılıçarslan stellte in ihrem Beitrag über die unterschiedlichen Modelle der Frauenorganisationen in Deutschland die Frauenorganisationen der katholischen und der evangelischen Kirche vor und stellte im Weiteren die Erwartungen und Bedürfnisse dar, die der Frauenarbeit in den Gemeinden harren.
Die Abteilungsleiterin der DIYANET für Familie und Religiöse Führung Dr. Huriye Martı stellte das DIYANET-Programm “Religiöse Führung für Familien” vor, die auch eine Art theologische Familienberatung umfasst. Sie ging in ihrem Beitrag auch ein auf das Familienverständnis im Islam und zeigte zudem auf das Familienbild beim Propheten, inbegriffen seine Vorstellungen über die Rolle der einzelnen Mitglieder ihrer – Mann, Frau wie Kind. Die Sozialpädagogin Sebiha Küman referierte zum Thema “mögliche Kommunikationsmethoden im Beratungsgespräch”.
Dr. Emine Seçmez widmete sich in ihrem Vortrag der Erwartungshaltung und den Verhaltensmustern religiös-konservativer Menschen bei psychologischen Problemen und zeigte auf welche Grundprinzipien bei der Bewältigung ihrer Probleme zu beachten sind.
Die Arbeitsgruppen, die sich den unterschiedlichen Wahrnehmungsperspektiven (individuelle, gesellschaftliche, familiäre und organisationsspezifische), den daraus resultierenden Problemen und ihren Lösungswegen widmeten, wurden geleitet von Dr. Fatma Bayraktar Karahan. Die Beiträge des Workshops sowie die zusammenfassende Bewertung der einzelnen Arbeitsgruppen werden im Nachgang zweisprachig herausgegeben.
Festgehalten haben die Teilnehmerinnen folgende Punkte:
- Die Frauenabteilungen im Dachverband und auf Ebene der Landesverbände müssen so bald wie möglich ihre (Um-)Organisation abgeschlossen haben. Besonders ist dabei auch von den Erfahrungen der weiblichen Religionsbeauftragten zu profitieren – sei es bei der Organisierung oder auch später bei den Aktivitäten.
- Die Frauenarbeit muss ensprechend den Bedürfnissen der jeweiligen Gemeinde mit verschiedenen Projekten unterstützt und diese bzw. die Erfahrungen hieraus untereinander ausgetauscht werden.
- Für die Besuche in Krankenhäusern, Gefängnissen und Altersheimen etc.. müssen eigens auf die Bedürfnisse der Muslime zugeschnittene Vorträge vorbereitet und Methoden entwickelt werden, die geeignet sind ein nachhaltiges Angebot zu bieten. Dabei ist auch auf die Erfahrung der Türkei in diesem Feld zurückzugreifen.
- In regelmäßigen Treffen sollen die weiblichen Religionsbeauftragten ihre Erfahrungen austauschen.
- Zweisprachiges Infomaterial für die Gemeinde, aber auch die Öffentlichkeit ist vorzubereiten.
- Es müssen Infoportale zum Thema Familie, Frauen, Kinder und Erziehung eingerichtet werden.
- Die Kandidatur der Frauen für die Gemeindevorstände und ihre aktive Vorstandstätigkeit ist zu unterstützen. Satzungen müssen dahingehend geändert werden.
- Die Gemeinden müssen den Eltern Seminare für die sexuelle Erziehung ihrer Kinder bieten, in denen auch darauf einzugehen ist, ab welchem Alter und wie die Kinder an diese Thematik heranzuführen sind.
- Erfolgreiche Mädchen müssen gefördert und ihnen Perspektiven für einen guten Bildungsweg aufgezeigt werden.
- Geschlechterdiskriminierung ist zu vermeiden. Jeder Art ihrer muss auf jeder Plattform entgegengewirkt werden.