Ein gesegneter Fastenmonat voller religiöser Momente und unschätzbarer Gelegenheiten liegt nun hinter uns und begleitet von diesen Gefühlen begehen wir in diesen Tagen das Ramadanfest. Der Ramadan war uns eine Gelegenheit, um das Alltägliche abzuschütteln und uns unser Bewusstsein um uns selbst und unser Sein in Gesellschaft zu vergegenwärtigen. Er bot uns ein weiteres Mal die Gelegenheit, um uns der Bedeutung der Gefühls- und Glaubenswelt wieder gewahr zu werden, die für uns selbst, aber auch allgemein für die Wertewelt eine Rolle spielt. Diese freudige Atmosphäre ist es nun, die uns in den Festtagen begleitet.
Unendlicher Dank und Lob seien unserem Herrn für all die Gaben und die Gelegenheiten, die Er uns im Ramadan vergönnt hat. Dank und Lob Seien Ihm auch für die Festtagsfreude dieser Tage. Ebenso seien Segen und Heil auf Seinem Gesandten. Mögen die religiösen und moralisch-ethischen Werte, die wir im Ramadan wieder verfestigt haben, uns auch nach dem Fastenmonat in den unterschiedlichsten Lebenssituationen und Entwicklungen begleiten. Ebenso bitten wir Ihn darum, dass Er uns die Kraft gebe, in diesem Leben, das für jeden einzelnen von uns, aber auch für die ganze Gesellschaft nichts anderes als ein Ort der Prüfung ist, die selbige mit größtmöglicher Reife und tugendhaftem Verhalten zu bestehen. Es ist uns als glaubender Mensch eine soziale und gewissenhafte Pflicht darauf hinzuweisen, dass die Verletzung der menschlichen Grundwerte und der Religionsfreiheit uns ein Gräuel ist. In diesen Tagen erfüllt uns daher sowohl die Freude des Ramadanfestes, als auch dieses Pflichtbewusstsein. In diesem Zusammenhang in einer Grußbotschaft zum Ramadan auf einige Sachverhalte hinzuweisen, dürfte daher auf Verständnis stoßen.
Die Grundeinstellung des Islam zum Menschen ist äußerst einfach wie universell. Für ihn sind alle Menschen Kinder Adams und dieser geschaffen aus Erde. In dem Maße, in dem es innerhalb dieser Formel vor Gott keine Unterschiede gibt zwischen den Menschen, verlangt sie, die Formel, von den Menschen, dass diese auch untereinander bescheiden sind und sich gleich behandeln. Dies ist dann in seiner Ausgestaltung nichts anderes als die „Menschenwürde“, die trotz unterschiedlichster Gesellschaften mit dem was diese in ihrer Religion und in ihrer Kultur unterscheidet, in den Schutz gestellt wird. Worin die Menschen, abgesehen von dieser Gleichheit in ihrer Erschaffung, miteinander wetteifern und sich ob ihrer rühmen können, ist einzig das gute Handeln und sind ihre Tugenden. Die Beschäftigung mit angeborenen Eigenschaften und dem Gengut der Menschen sollte einzig und allein Gegenstand wohlmeinender Wissenschaftler und Forscher sein, die damit den Menschen schützen und ihm dienen wollen. Zahllos sind in der Geschichte die Beispiele für menschliche Tragödien, Auseinandersetzungen und Separationen und damit für das, was passiert, wenn sich Philosophien, Ideologien oder die Politik dieser Begriffe bedienen. Ganz zu schweigen davon, dass eine solche Geisteshaltung im Widerspruch steht zu dem, was die Offenbarungsreligionen als wahr ansehen, aber auch zum Rechtssystem und zum demokratischen Grundprinzip der Einheit in Vielfalt. Daher ist eine jede, in diesem Rahmen den Menschen ausgrenzende Geisteshaltung auch gleichzeitig ein Auflehnen gegen religiöse, rechtliche, wissenschaftliche und gesellschaftliche Prinzipien. Besorgnis erregend ist, dass die Tagesordnung in Deutschland in den letzten Wochen von einem eben solchen Missstand bestimmt wird. Die konstruktive Haltung und die deutlichen Stellungnahmen, allen voran des Bundespräsidenten, der Bundeskanzlerin aber auch des Bundesinnenministers, sind hingegen ein Hinweis darauf, dass die Migranten inzwischen als Teil der deutschen Mehrheitsgesellschaft in diesem Land ihren Platz haben, dass hier aus soziologischer Sicht ein Prozess des Zusammenwachsens im Gange ist, dass dieser Prozess auch fortwähren wird und wichtiger noch, dass dieser verteidigt wird. Deutschland hat in seiner jüngsten Vergangenheit eine wichtige Erfahrung gemacht, als es zwei Staaten mit seinen unterschiedlichen Systemen und Ideologien zu einem Staat wiedervereinte und mehr noch, als es damit auch eine große Gesellschaft zusammen wachsen ließ. Der Versuch Deutschlands, nun einen weiteren Teil seiner, nämlich die Migranten, mit all ihren Unterschiedlichkeiten und ihren eigenen Identitäten in diese große Gesellschaft aufzunehmen, diese hier zu halten und mit ihnen gemeinsam eine gemeinsame Zukunft aufzubauen, wird in einen weiteren Erfolg, einen gemeinsamen Erfolg dieses Landes münden. An dieser Stelle möchte ich daher verweisen auf die Symbolkraft des 3. Oktober und die Gelegenheit nutzen, meine Gratulation zum Tag der Deutschen Einheit bereits jetzt auszusprechen.
Die Freude über einen weiteren Tag des Ramadanfestes wird uns am 11. September aber nicht die Erinnerung an die abscheuliche Tat vor nun genau 9 Jahren vergessen machen. Diese Gräueltat hat nicht nur die ganze Welt und hier auch die Muslime bestürzt, sondern vielmehr zur Entstehung von Vorurteilen gegen die Religion und von Konflikttheorien sowie dazu geführt, dass ein Großteil der Muslime unter Verdacht geraten ist und regelrecht als Gefahrenquelle angesehen wird. Die von Pastor Terry Jones angeblich als Protestveranstaltung gegen die Ereignisse vom 11. angekündigte Koranverbrennung ist als Akt der Gewalt, als Provokation und Beleidigung von Heiligem einzustufen. Der Koran steht unter dem Schutz des Schöpfers. Dieses unaufhörliche Licht, das die Muslime lehrt das Gute vom Bösen zu unterscheiden, wird auch weiterhin glänzen und mit seinem Glanz den Weg weisen. Es wird auch weiterhin mit seinem Inhalt und seiner Rhetorik die Menschen in seinen Bann ziehen. Diejenigen, die nun an dieses erhabene Buch, an diese Offenbarungsschrift und diesen Wegweiser glauben, werden ihren Protest, ungeachtet der aufrührerischen Provokationen, nur in geeigneter Form zum Ausdruck zu bringen wissen.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen, verehrte Geschwister im Islam, auch weiterhin ein gesegnetes Ramadanfest und hoffe, dass die Errungenschaften und der geistig-spirituelle Zugewinn, die wir uns alle im Ramadan erarbeitet und angeeignet haben, auch danach noch unser Begleiter sein werden. Möge Er uns allen, möge Er der gesamten Menschheit Gutes bescheiden.
Prof. Dr. Ali Dere
Botschaftsrat für Religionsangelegenheiten