Das christliche Weihnachtfest ist den Gemeinden und Kirchen eine Zeit der inneren Einkehr und Besinnlichkeit. Es ist eine Zeit, für das, was war zu danken, damit das, was werden wird, unter einem guten Lichte beginnt. Weihnachten ist den Christen das Geschenk der Liebe, des Friedens und des Glücks. Darin fühlen sich die Muslime ihnen verbunden.
Den Menschen ist – unabhängig von Religion und Kultur – gemein, dass es von Freude und Glückseligkeit, aber auch mit Trauer und Unglück erfüllte Zeiten gibt. Doch selten trifft Leid und Schmerz die gesamte Menschheit so umfassend, unvermittelt und nachhaltig, wie die aktuelle Pandemie.
Seit Anfang 2020 wütet die Pandemie weltweit, schränkt uns in unserem Handeln, ja sogar Denken und Empfinden ein. Wir waren gezwungen, auf Abstand zu gehen und darin immer wieder versucht, diese durch alternative Wege aufzuheben. Wir haben geliebte Mitmenschen aus Bekannten- und Verwandtenkreisen verloren, oft ohne Abschied von ihnen nehmen zu können. Die gemeinsamen Gebete in gefüllten Gotteshäusern und das besinnliche Beisammensein in öffentlicher und familiärer Atmosphäre sind uns aktuell wieder nur eingeschränkt möglich. Diese Pandemie ist eine große Herausforderung für Gotteshäuser und Gläubige gleichermaßen.
Denn Krisen zeichnen sich dadurch aus, dass sie – selbst wenn sie vorhersehbar gewesen wären – die Menschen oft unvorbereitet erwischen. Die Kenntnis unzähliger Epidemien im Laufe der Geschichte hat nicht verhindert, dass wir bei der aktuellen Corona-Pandemie erst Zeit gebraucht haben, um uns auf die Herausforderung einzustellen. Auch die Religionsgemeinschaften in Deutschland und der Welt haderten. Dabei war schnell klar: wir sitzen alle in einem Boot. Mit der Metapher des Bootes ist neben einem Aufruf zu Solidarität und gemeinsamem Handeln auch eine Urangst der Menschheit verbunden. Sie kann aber auch Aufbruch bedeuten. Die Arche Noah, die in den drei monotheistischen Religionen als Beispiel für Auslöschung des Bestehenden steht, bedeutet gleichzeitig einen Neuanfang und Hoffnung für die Zukunft. Das Gleichnis Arche Noah ist darüber hinaus wertvoll, weil es uns auch vor Augen führt, dass wir in einer Krise nicht nur auf unser eigenes Überleben denken dürfen, sondern eine Verantwortung für die Schöpfung als Ganzes tragen. Die sowohl in der Bibel, als auch im Koran thematisierte Arche Noah führt uns also unsere Verantwortung für die Erde und alles Leben auf ihr vor Augen.
Das Jahr 2021 hat uns in dieser Hinsicht auf mehrere Art an unsere Aufgaben diesbezüglich erinnert. Neben der Pandemie waren sowohl die Debatten um die Klimaerwärmung, aber besonders auch die Jahrhundertflut deutliche Warnungen und Mahnungen an alle Menschen, aber auch an unser Handeln als Gläubige.
Die Religionen sind heute mehr denn je aufgefordert, die Menschen zum gemeinsamen, solidarischen Handeln und gerechtem Teilen zu ermutigen. Denn die Aufgaben der Religionen gehen aber über das eigene Wirken hinaus. Ihre Aufforderung zum Impfen gehört hierzu, wie auch die Menschen zu motivieren, den
Schutzmaßnahmen zu folgen, auch wenn sie Entbehrung bedeuten. Denn eine Aufgabe der Religionen ist auch, zum Gerechten, Guten einzuladen und vor dem Schlechten, vor Unrecht zu ermahnen. Ist eine Krise bereits ausgebrochen, so haben Religionen die Pflicht, aber auch die Ressourcen, schnell und effektiv zu helfen und die gelebte Solidarität der Menschen untereinander zu fördern.
Dass dies in unserer Gesellschaft mittlerweile über die Grenzen der eigenen Religion hinaus gemeinsam gelingt, ist ein Erfolg des interreligiösen Dialogs und der guten Kooperation sowie des gemeinsamen, abgestimmten Handelns. Gemeinsame Positionierungen der Religionen in schwierigen Zeiten, sei es bei der Frage der Aufnahme von Flüchtlingen aus Kriegsgebieten oder die Hilfe, die sie weltweit organisieren, oder wie zuletzt bei Naturkatastrophen im eigenen Land, macht den Glauben wieder zentral in Zeiten der Krise. Die Kirchen in Deutschland haben in dieser Zeit der gemeinsamen Verantwortung eine wichtige Vorreiterrolle übernommen und gemeinsam waren die Religionsgemeinschaften ein Licht in schwierigen Zeiten für viele Menschen, nicht nur für Gläubige.
Dass verschiedene Religionen in einer Zeit, in der sie ihre Gotteshäuser schließen mussten, die Kirchenglocken und den Muezzin-Ruf gemeinsam erklingen ließen, gab auch Menschen Hoffnung, die den Ruf bzw. das Glockengeläut nicht unmittelbar hören, sondern nur über Medien vernehmen konnten. Die Botschaft war klar: „Ihr seid nicht allein. Wir sind für euch da! Gott ist mit uns allen!“
Denn stirbt die Hoffnung, so stirbt die Menschlichkeit. Und wo Licht ist, ist Hoffnung. So sind auch die festlich geschmückten Fenster und Straßen Ausdruck dieser Hoffnung. „Gott ist das Licht des Himmels und der Erde“ (Lichtvers).
Als Muslime freuen wir uns mit ihnen über die Geburt Jesu, in welchem wir einen der größten Gottesgesandten sehen und als Seinen Verkünder verehren.
Möge unser aller Schöpfer uns helfen, dass wir in dieser Krisenzeit mit unseren religiösen, ethnischen Werten gestärkt werden und zusammenwachsen.
Möge diese Festtage des uns allen Anlass sein, uns der Würde der Schöpfung bewusst zu werden und uns darin stärken, uns Frieden, Freundschaft und Glückseligkeit auf der ganzen Welt und für die Menschheit einzusetzen.
In diesem Sinne wünschen wir unseren christlichen Freunden und Nachbarn und allen Christen weltweit besinnliche Weihnachtstage und ein gesegnetes, friedliches Weihnachtsfest und ein frohes neues Jahr 2022.
DITIB-Bundesverband