Kein Raum für Antisemitismus und Vereinnahmung

DITIB ist besorgt über die Entwicklungen der letzten Tage und den ansteigenden Antisemitismus. Jüdisches Leben in Deutschland muss den Schutz von uns allen genießen.

Als Muslime haben wir dieses Jahr einen Ramadan der Entbehrungen und der sozialen Distanz erlebt. Umso bedrückender waren daher die letzten Tage des Ramadans, in denen uns schreckliche Bilder aus vielen Teilen der Welt erreichten. In Afghanistan wurden mindestens 85 junge Schülerinnen durch einen Terroranschlag auf eine Schule getötet. Kurz vor der gesegneten Nacht der Bestimmung (Leyletul Kadr) erreichten uns erschreckende Bilder von der Al-Aqsa-Moschee in Jerusalem. Seit Freitag vergangener Woche sind mehrere Hundert Menschen, darunter viele Zivilisten im Gazastreifen und im Westjordanland, in Ost-Jerusalem sowie auch in Israel getötet worden, auch gab es umso mehr Verletzte. Es kam zu Gewalt zwischen israelischen und palästinensischen Gruppen in Innenstädten.

Der Raketenbeschuss aus dem Gaza-Streifen auf die zivile Bevölkerung Israels hat nicht nur eine erneute Eskalationsstufe in diesem Dauerkonflikt gezündet, es wurden dabei zivile Opfer auf beiden Seiten billigend in Kauf genommen, wie auch bei den unverhältnismäßigen Reaktionen der Israelischen Armee. Wir verurteilen diese Eskalation auf das Schärfste. Den Familien der getöteten Menschen auf beiden Seiten drücken wir unser Beileid aus, den Verletzten wünschen wir schnelle Genesung.

Der Ausgangspunkt der Krise waren drohende Zwangsräumungen von Wohnungen im besetzten Ost-Jerusalem, in denen Palästinenser leben. Die Besatzung dieser Gebiete wurde in der Vergangenheit durch UN-Resolutionen mehrfach für völkerrechtswidrig erklärt. Auch der KRM verurteilte jüngst die Besetzung und die Attacken als Verletzungen des Völkerrechts. Das Existenzrecht Israels, welches völkerrechtlich wie menschlich eine Selbstverständlichkeit sein muss, sollte in gleichem Maße auch das Existenzrecht der Palästinenser und Palästinas bedeuten. Einseitige Betrachtungsweisen, die das Lebens- und Existenzrecht der jeweils anderen nicht anerkennt, können einem dauerhaften Frieden nicht dienlich sein.

Die Sorgen und Ängste der Palästinenser, aber auch die der israelischen Juden aufgrund ihrer Geschichte in Europa, insbesondere jedoch die besondere Situation der Juden in Deutschland muss uns stets bewusst bleiben. Bei aller berechtigter Kritik gegen das Vorgehen in Gaza, darf es keinen Raum für antisemitische Hetze geben. Empathie für Opfer darf nicht in Hass gegen Unbeteiligte ausschlagen. Konzepte der Kollektivschuld oder der Erbsünde sind dem Islam fremd, müssen uns als Muslime daher ebenfalls fremd bleiben und dürfen unser Handeln nicht bestimmen.

Umso aufmerksamer müssen wir gegenüber Extremisten und Radikalen sein, die einen Keil in unsere Gesellschaft treiben wollen, indem sie die allzu oft verständliche Ohnmacht vieler Muslime gegenüber den Geschehnissen im Nahen Osten wie auch in anderen Teilen der Welt nutzen, um mit aufstachelnden Parolen versuchen, Muslime, insbesondere Jugendliche für ihren falschen Weg zu gewinnen. Weiterhin versuchen sie durch Vereinnahmung und Kaperung von Protestaktionen, die Muslime in ihrer Breite als Antisemiten darzustellen. Diesem Bestreben darf ebenfalls kein Raum gegeben werden. Diesen Bestrebungen haben wir uns gemeinsam mit unseren Gemeinden entgegengesetzt und werden dies auch weiterhin in aller Deutlichkeit tun.  Auch wenn in sozialen Medien allzu oft eine andere Wahrnehmung verbreitet wird, so hat sich die DITIB stets deutlich antisemitischen Tendenzen und Narrativen entgegengestellt. Die Gemeinden leisten wichtige Basisarbeit hierzu. Unser Reiseprojekt mit interreligiösen Schülergruppen nach Krakau und Auschwitz, das 2019 begonnen hat und aktuell weiterläuft, gehört ebenso dazu, wie unsere internen Ausbildungs- und Vortragsreihen, bei denen neben anderen Themen auch der Antisemitismus und antisemitische Narrative behandelt werden.

Denn diese haben in unseren Reihen keinen Platz. Jüdisches Leben und Synagogen, genießen besonderen Schutz. Sich den Angriffen gegen diese zu stellen, gehört ebenso zu unseren primären Aufgaben, wie auch eine Sensibilisierung der Menschen. Aber auch eine verbale Abrüstung Aller sowie Versachlichung ist zwingend nötig, damit Debatten über Antisemitismus und Judenhass nicht aneinander vorbei, sondern miteinander geführt werden können. Hierbei hat Deutschland und haben wir als deutsche Religionsgemeinschaft eine besondere Verantwortung. Daher rufen wir alle zur Besonnenheit auf und verurteilen jedwede Gewalt oder den Aufruf zu Gewalt und stellen uns jeder Form von Hass und Hetze gegenüber Andersgläubigen in Deutschland entgegen. Dem Antisemitismus genauso, wie wir es auch bei der Islamfeindlichkeit tun. Denn oft versteckt sich die eine Menschenfeindlichkeit im Mantel der jeweils anderen.

Im Bewusstsein, dass sich in einer globalen Welt Konflikte in anderen Teilen der Welt auch immer auf unser Zusammenleben auswirken, auch weil für Muslime Jerusalem und die Al-Aqsa-Moschee eine besondere Stellung haben, hat der Nahostkonflikt immer das Potential, unsere Gemeinschaften in Deutschland wie weltweit zu beschäftigen. Vor diesem Hintergrund kann nur eine Lösung, die den Sorgen und Interessen aller Beteiligten gerecht wird, einen nachhaltigen Frieden im Nahen Osten und Entspannung weltweit bringen. Die neu ausgerufene Waffenruhe kann eine Chance sein.

In der Geschichte haben in Jerusalem mehrere Religionen in Frieden zusammengelebt. Wir sind überzeugt, dass dies sowohl heute als auch in Zukunft möglich sein kann, wenn wir nicht nur auf die Sorgen und Ängste der uns Nahestehenden achten, sondern auch die Ängste und Sorgen Aller in unsere Handlungen miteinbeziehen.

DITIB-Bundesverband

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