Zu den traurigen Ereignissen während des ersten Weltkriegs

Die Menschheitsgeschichte ist voll mit Tragödien und Kriegen, die von Gier und Herrschaftsansprüchen getrieben sind. Die unmittelbarsten Beispiele hierfür im 20. Jahrhundert sind die ersten und zweiten Weltkriege. Der Gier und die Herrschaftsansprüche wie auch die Begierde der Landesherren, die Welt zu beherrschen und auszubeuten, haben in diesen Kriegen dazu geführt, dass mehr als 60 Millionen Menschen ihr Leben verloren haben; vor allem hat der erste Weltkrieg zwischen den Jahren 1914-1918 zu Deportationen, epidemischen Krankheiten und insbesondere zu 20 Millionen Toten bei den militärischen Kampfhandlungen geführt. Der im Juli 1914 ausgebrochene Krieg in Europa hat in kurzer Zeit das Gebiet des Osmanischen Reiches erreicht und das Blutvergießen mit sich gebracht. Während dieses Krieges sind mehr als 10 Millionen Muslime, Christen und sehr viele anderen Religionsangehörigen gestorben, die bis zu dieser Zeit in Frieden miteinander lebten aber gegeneinander angestachelt wurden. 

Unter den Kriegsopfern waren auch viele armenischen Bürger des Osmanischen Reiches, die nach der Übersiedelungsinitiative ihr Leben verloren haben. Im Rahmen des hundertsten Jahres zum Beginn dieser Übersiedlung am 24. April 1915 teilen wir das Leid der armenischen Bevölkerung, die sie im Rahmen der Kriegsbedingungen erlitten haben und die tiefe Spuren in den Gedächtnissen hinterlassen haben. Allen unschuldigen und geschädigten Gefallenen während dieses Krieges wünschen wir die Barmherzigkeit des erhabenen Schöpfers. 

So wie die Geschichte mit ihren positiven und prächtigen Ereignissen ein Beispiel für uns ist, ermahnt uns die Geschichte genauso eindringlich zu den sich ereigneten Tragödien und Kriegen als Folgen der Begierden. Vor allem die ersten und zweiten Weltkriege haben ein bis dahin in der Geschichte nicht gekanntes großes Leid und Unglück mit sich gebracht. Die vorrangigste Aufgabe der Menschheit besteht darin, aus diesen Kriegen zu lernen und vergleichbare Katastrophen zu verhindern. Die erste Bedingung dafür, um das sicherzustellen ist es, dass die Individuen, Staaten und religiösen Menschen miteinander im Dialog und in Kommunikation stehen und aus der Geschichte lernend dazu bereit sind, einander vorurteilsfrei und selbstkritisch zu begegnen und gegenseitig zu verstehen.

Nach den beiden Weltkriegen haben wir erlebt, wie unzählige Völker, die einander während des Krieges großes Leid zugefügt und große Feindschaften gegeneinander gehegt haben, durch diesen Dialog und durch gegenseitige Empathie nach dem Krieg den Hass und Zorn überwinden und den Keim der Liebe und Geschwisterlichkeit blühen lassen konnten. Der in den letzten Jahren aufgenommene Dialog zwischen den Muslimen und den armenischen Orthodoxen gibt diesbezüglich auch Hoffnung. Es ist ein großer Gewinn, dass insbesondere die türkeistämmigen muslimischen Organisationen mit ihren armenischen Geschwistern bezüglich des Jahres 1915 und den daran anschließenden Ereignissen in einen offenen Dialog eingetreten sind, die genährt sind mit dem Willen, den anderen zu verstehen und sogar das gegenseitige Leid zu teilen.

In einer Situation, in der im Austausch zwischen den Historikern und den beteiligten Parteien das gegenseitige Verstehen und die gegenseitige Umarmung als Lösung dienen sollte, ist es allerdings für das gegenseitige Verstehen und das Entstehen eines Friedensklimas hinderlich, wenn unbeteiligte dritte politische oder religiöse Lager Thematisierungsinitiativen des Ereignisses allein über Beschreibungen, Symbole oder Verbote starten. Statt das Umsiedlungsereignis von den armenischen Staatsbürgern des Osmanischen Reiches und die erlebten Dramen in Anatolien im Jahr 1915 vor allem ganzheitlich mit ihren Gründen und Folgen zu erörtern, betonen wir, dass politische Ziele verfolgend die beharrliche Oktroyierung des Begriffes „Völkermord“ in Form einer einseitigen Schuldzuweisung weder zutreffend ist, noch irgendjemandem einen Nutzen bringen wird.

Die aktuell in unserer deutschen Heimat von Politikern, ja sogar seitens der Kirchen geführte Diskussion breiter Schichten führt sowohl in der Sprachwahl als auch in der Haltung zu äußerstem Unbehagen bei den in Deutschland lebenden türkeistämmigen Menschen und Massen muslimischer Gemeindeangehörigen.

Wir bewahren unsere Hoffnung darin, dass die im Zusammenhang mit dem Ersten Weltkrieg geführten Diskussionen zu den erlebten Ereignissen des Leides und insbesondere zur Umsiedlung der armenischen Bevölkerung in Anatolien aus objektiver, wissenschaftlicher und menschlicher Perspektive stattfinden und dass dabei die Würde des Menschen in den Vordergrund gerückt wird und die Erörterung in einer besonnenen Reife die Empathie und Freundschaft aus den erlebten Tragödien entstehen lässt anstatt Hass und Feindschaft.

Um das zu gewährleisten laden wir die türkischstämmigen Muslime und unsere armenischen Geschwister dazu ein, vor allem den gegenseitigen Dialog fortzusetzen und ihren Herzen für die gegenseitigen Freuden und Leiden zu öffnen und den Schmerz des anderen zu teilen.

Diese Erklärung wird unsererseits aus der Motivation heraus veröffentlicht, um Vermittler der Gefühle und Gedanken der in Deutschland lebenden mehrheitlich deutschen Staatsbürger und türkeistämmigen Muslime zu sein und ihre Erwartungen an die Öffentlichkeit mitzuteilen.

DITIB Bundesverband

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