Diskriminierung und Übergriffe auf deutschen Straßen nehmen Überhand

Der aktuelle Fall vom 28.04.2018 in Osnabrück, in dem einem 11jährigen Mädchen auf offener Straße von einem Erwachsenen das Kopftuch an einer Bushaltestelle gewaltsam entrissen wurde, ist schockieren. Dass ein erwachsener Mann aus einer Gruppe heraus sich in dieser Art in aller Öffentlichkeit an einem Kind vergeht, ohne Gegenwehr zu fürchten, zeichnet ein bedenkliches Bild der gegenwärtigen Situation in Deutschland. Wir verurteilen diese Tat, die Ausdruck eines zunehmend muslimfeindlichen, rassistischen Klimas in Deutschland ist.

Dies ist die Saat, die auch der aktuellen “Scheindebatte um das Kopftuch“ als eine Form der politischen Disziplinierung, initiiert durch die populistischen Debatten durch das Integrationsministerium in NRW, die jeder Grundlage entbehren. Ansatz, Niveau und Wortwahl dieser aktuellen Diskussion ermutigt Menschen nun im nächsten Schritt zu einer öffentlichen, körperlichen Disziplinierung. Hier, auf deutschen Straßen.

All die Diskussionen um das Kopftuch und die Fokussierung dabei wahlweise auf Muslime oder Türkischstämmige oder Flüchtlinge, lenken von der alltäglichen Diskriminierung selbiger in Deutschland ab. Der Fall zeigt, dass damit dieselbe Diskriminierung sogar gefördert und die Spaltung unserer Gesellschaft vorangetrieben wird. Umso bedauerlicher ist es, dass diese aktuelle Debatte seinen Ursprung im Integrationsministerium von Nordrhein-Westfalen hat.

Das Integrationsministerium ist bislang auch eine Erklärung der Relevanz eines solchen Vorhabens schuldig geblieben. Belastbare Zahlen sind nicht vorhanden. Zu offenbar dreht sich hier die Debatte um ein Problem, das herbeigeredet wird. Denn kopftuchtragende Mädchen in Kindergärten und auf Grundschulen sind nicht die Regel, sondern höchst seltene Ausnahmen. Solche populistischen Vorstöße, um die AfD rechts zu überholen, sorgen aber neben Fällen wie dem oben beschriebenen auch dafür, dass auf unseren Schulhöfen ältere Mädchen, die aus eigener Entscheidung ein Kopftuch tragen, von anderen Schülerinnen und Schülern bedrängt, ja gemobbt und sogar von Lehrer/innen „zwangsbefreit“ werden.

Daher engen Veranstaltungen zur Sensibilisierung für abwertende Haltungen und Diskriminierung, den Täterkreis zu Unrecht auf Jugendliche ein. Dass dies grundlegend falsch ist, bestätigen unzähligen wissenschaftliche Studien und Zahlen der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Wir stellen fest, dass Diskriminierung von und tätige/verbale Übergriffe auf Muslime, muslimische Gemeinden und Moscheen inzwischen zur Tagesordnung gehören. Dies wird gefördert durch eine Politik, die keine Gegenmaßnahmen ergreift und der Problemstellung seit Jahren nicht gegensteuert. Ganz im Gegenteil, unterbreitet und ergreift sie sogar selbst bisweilen Maßnahmen und Vorschläge, die einen diskriminierend-populistischen Charakter aufweisen.

Schon lange helfen argumentative Strategien gegen Diskriminierung nicht weiter, denn dafür sind Alltagsdiskriminierung schon viel zu fest in Alltag, Bewusstsein und Sprache manifestiert. Diskriminierende Positionen finden zunehmend Raum in der politischen Öffentlichkeit und in den Medien, und werden immer öfter als legitime Meinungsäußerungen gerechtfertigt.

Es ist beschämend, wenn Muslime oder Migranten auf öffentlichen Straßen unverhohlen beschimpft und herabgewürdigt werden. Täglich werden Grenzen überschritten, wie beispielsweise im Fall der Schwangeren in Herford, die am 25.04.2018 in einer Postfiliale von einem 61-Jähriger Herforder gestoßen und fremdenfeindlich beschimpft wurde (Link) Der aktuellste Fall von öffentlicher Nötigung einer syrischen Schwangeren wegen des Kopftuchs am 03.05.2017 in der Bad Segeberger Fußgängerzone durch einen etwa 50-jährigen Deutschen, der trotz der Intervention durch andere Passanten erst nach dem Einschreiten der Polizei von der zwischenzeitig zusammengebrochenen Frau abließ, ist höchst verstörend (Link).

Es macht Angst, wenn nun auf Grund des Kopftuchs nun auch Kinder und Schwangere Opfer von Übergriffen werden, weil bestimmte Personenkreise sich durch solche unsäglichen Diskussionen dazu ermächtigt fühlen.
Die Dunkelziffer an Übergriffen ist viel höher, weil vieles gar nicht erst zur Anzeige kommt oder in Medien thematisiert werden, denn das kalte gesellschaftliche Klima produziert, akzeptiert und verstärkt diese Selbstverständlichkeit der Alltagsdiskriminierung und verdammt viele Opfer zum Schweigen.
So ist es auch ein Trauerspiel, wenn Übergriffe auf Moscheen (über 40 Fälle in 4 Monaten!) in Deutschland zu Selbstverständlichkeiten werden.

Diese alltäglichen Diskriminierungen, Feindseligkeiten und Übergriffe entladen sich derzeit auf deutschen Straßen und entfalten auf Dauer eine erschreckende Dynamik und gefährdet nachhaltig den öffentlichen Frieden. Dies stärkt Extremisten, die diese Diskussionen für sich vereinnahmen und zur Tat schreiten. Vor Allem aber bringt dies Muslime in diesem Land, das sie längst seit Generationen als ihre Heimat ansehen, in schwere Bedrängnis. Das Integrationsministerium des Landes NRW und das Innenministerium sind in der Verantwortung, diesbezüglich klar und deutlich Stellung zu beziehen, um solchen Entgleisungen Einhalt zu gebieten.
 

DITIB-Bundesverband

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