Köln, 15.01.2013: Vergangenen Freitag wurden zahlreiche Vertreter aus Politik, Öffentlichkeit und Gemeinde in der Moschee an der Wollenweberstraße Zeugen eines historischen Ereignisses: Des ersten öffentlichen Gebetsrufs in Eschweiler bei der DITIB-Moschee. Der Entscheidungs- und Genehmigungsprozess nach Anfrage der DITIB-Gemeinde im April 2011 hatte weit über ein Jahr in Anspruch genommen.
Unter den geladenen Gästen war Mustafa Kemal Basa, Generalkonsul des türkischen Generalkonsulats Köln, Herr Edmin Atlagic, Vorsitzender der Bosnischen Muslimgemeinde Deutschland, Tayfun Keltek, Vorsitzender des Landesintegrationsrates NRW, Herr Prof. Izzet Er, Vorstandsvorsitzender des DITIB Dachverbandes und weitere Mitglieder des Bundesvorstandes der DITIB. Als Vertreter der Stadt waren Bürgermeister Rudi Bertram und Vertreter des Gemeinderates anwesend. Gastgeber zu diesem besonderen Anlass waren Bahri ÇİFCİ als Vorsitzender der DITIB-Gemeinde zu Eschweiler mitsamt dem Vorstand und zahlreichen Gemeindemitgliedern. So wurde der öffentliche Gebetsruf in ein feierliches Rahmenprogramm eingebettet, in dem die Redner die Bedeutung des öffentlichen Gebetsrufs für den gläubigen Muslim, für die Gemeinde, die Gesellschaft und das gemeinschaftliche Miteinander hervorhoben.
Nach einer Koranrezitation zu Beginn eröffnete Herr Bahri ÇİFCİ, Vorsitzender der DITIB -Gemeinde zu Eschweiler, mit einem besonderen Dank an die Unterstützer, politischen und religiöse Vertreter und anwesenden Gäste die Veranstaltung. Er ging insbesondere auf die Bedeutung dieser Entwicklung und ihre Wirkung ein. Der Theologe Necati BARIŞ, Religionsbeauftragter und Imam der Moschee in Eschweiler, hob noch einmal die Bedeutung und Wichtigkeit des Gebetsrufs hervor.. Herr Zekeriya BÜLBÜL, Theologe und Religionsattache in Köln, erläuterte für die Festgäste die Bedeutung einer Moschee für Muslime und Ihre Nachbarn.
Insbesondere Bürgermeister Rudi Bertram wünschte sich in seiner Ansprache nach all den intensiven und konstruktiven Gesprächen auch weiterhin eine offene und vertrauensvolle Begegnung und gelebte Toleranz. Im Rathaus habe man lange darüber diskutiert und es sei ein weiterer Schritt zur Integration. Alle seien dafür verantwortlich, dass es ein Miteinander gibt. „Offen gesagt, wir haben dafür auch viel Kritik geerntet und machten diesen Schritt dennoch. Daher sollten wir alle zusammen Toleranz fördern und leben. Toleranz muss man täglich üben.“, sagte der Bürgermeister weiter.
In seiner Ansprache nahm Theologe und Hochschulprofessor Dr. Izzet Er, Bundesvorsitzender der Türkisch-Islamischen Union (DITIB), direkten Bezug auf die Aussagen von Bürgermeister Bertram über Toleranz. Er dankte für diesen Tag, die Unterstützung des Bürgermeisters und der anwesenden Gemeinderatsmitglieder, für das Verständnis der Nachbarn der Moscheegemeinde und die innige Atmosphäre, die dies ermöglichte. Dies erinnere ihn an zwei Ereignisse aus der Prophetenzeit bzw. Entstehungszeit des Islam. Nach seiner Auswanderung nach Medina zusammen mit den ersten Muslimen von Mekka, in der die Gesellschaft aus Christen, Muslimen, Juden und Polytheisten bestand, wurde ein Gesellschaftsvertrag verfasst. In diesem Gemeinschaftsvertrag wurden Juden, Christen, Polyhtheisten und Muslime als eine einzige Gemeinschaft, als Umma bezeichnet. An dieser Stelle hob Prof. Er insbesondere hervor: „Ich möchte ihre Aufmerksamkeit auf den Begriff ‚Umma’ lenken. Unser Prophet (Friede sei mit ihm) meinte damit im Gemeinschaftsvertrag, dem historischen Dokument von Medina, dass ‚Umma nicht nur die muslimische Glaubensgemeinschaft, sondern die Gemeinschaft der verschiedenen Religionen in Medina umfasste. Danach bildeten die muslimischen, jüdischen, christlichen und polytheistischen Einwohner eine einzige Gemeinschaft. So sind in diesem Gebetssaal Menschen verschiedener Ethnien und Religionen versammelt und bilden hier ebenfalls eine Gemeinschaft, eine Umma. Die zweite historische Anekdote erinnert uns an das tolerante Handeln unseres Propheten in der ersten Moschee des Islam. Als eine christliche Gemeinde aus dem Gebiet Nedschd in Medina zu einem Gespräch mit dem Propheten (Friede sei mit ihm) zusammenkamen, fragten sie ihn, wo sie ihren christlichen Gottesdienst verrichten könnten. Daraufhin sagte er ‚Hier’ und meinte damit die Moschee in Medina, die heute als Prophetenmoschee bekannt ist. Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass damit die erste Moschee des Islam gemeint war. Und eben in dieser Moschee fand der erste christliche Gottesdienst in einem muslimischen Gotteshaus, also bereits im 7. Jahrhundert statt.“, setzte Herr Prof. Er seine Rede fort. „Ähnliche Verhältnisse haben wir heute in Antalya, wo es einen Garten der Religionen gibt – für ortsansässige Gläubige, aber auch gläubige Touristen - sehr viele von ihnen sind Deutsche - die religiöse Dienste begehren. In diesem Garten der Religionen befinden sich eine Kirche, eine Synagoge und eine Moschee unter einem gemeinsamen Dach. An diesem gemeinsamen Ort beten dort am Freitag die Muslime ihr Freitagsgebet in der integrierten Moschee, am Samstag hat die jüdische Gemeinde ihren Gottesdienst in der integrierten Synagoge und am Sonntag die Christen in der integrierten Kirche. Ferner dürfen in der Türkei in den Städten wie Istanbul, Izmir, Antakya usw. die Kirchen öffentlich zum Gottesdienst läuten. Dies ist Ausdruck eines vitalen christlichen Gemeindelebens und gelebter Toleranz. Dass der Ruf des Muezzins zum Freitag öffentlich gehalten werden kann, ist ein Zeichen von Teilwerdung und Normalität, ein Zeichen für gelebte Zugehörigkeit und Toleranz. So danken wir all Jenen, die dies ermöglicht haben und damit das vitale Zusammenleben fördern.“
Daran anschließend betonte Herr Generalkonsul Mustafa Kemal BASA in seiner kurzen Ansprache, dass dieses Ereignis jede Diskussion darüber überflüssig mache, ob der Islam zu Deutschland gehöre.
Mit all diesen Eindrücken konnten die Anwesenden dem ersten öffentlichen Gebetsruf beiwohnen, der folgenden Freitagspredigt zum Thema Gebetsruf “Der Ezan“ (PDF auf der Internetseite) zuhören und an dem anschließenden Freitagsgebet teilnehmen. In einem kulinarischen Rahmen fand dieser besondere Tag einen würdigen Ausklang, der alle Anwesenden erfreute und mit Optimismus für ein gelingendes Miteinander erfüllte.