Köln, 09.04.2020: Dieses Jahr bereiten sich unsere christlichen Geschwister betrübt auf ein Ostern ohne die gewohnten Gottesdienste und Segnungen vor. Es werden Osterfeierlichkeiten, die es so noch nicht gegeben hat.
Die Menschheit erlebt dieser Tage eine Krise globalen Ausmaßes. Wegen der Corona – Pandemie erleben wir, wie unsere elementarsten Wahrheiten und Selbstverständlichkeiten auf die Probe gestellt werden. Für den Schutz des Lebens, das höchste zu schützende Gut, verzichten Menschen bundesweit und in vielen Teilen der Erde auf soziale Nähe und vieles, was zuvor als unverzichtbar galt. Gerade in einer Zeit existenzieller Ängste und psychischer und sozialer Probleme, sind Hilfen für Schwache, der Beistand für Zweifelnde wichtiger denn je, um die Würde des Menschen zu schützen. In solchen Zeiten sind Glaube und Gemeinschaft Stützen für jeden Menschen.
Religionen und ihre Vertreter tragen eine große Verantwortung. Sie müssen Kraft, Geduld und Zuversicht spenden. Eine Aufgabe, die nicht nur über die Gottesdienste und Andachten, sondern auch durch Hochfeste wie Ostern, Pessach oder Ramadan erfolgen. Aufgaben, die dieser Tage aber schwer zu erfüllen sind. Denn erstmals in der Geschichte der Menschheit müssen Moscheen, Synagogen und Kirchen in Deutschland leer bleiben. In Zeiten größter Notwendigkeit, können Gottesdienste und seelsorgerische Angebote nicht wie gewohnt stattfinden.
Besonders über die Osterfeiertage ist dies ein großer Einschnitt. Denn Ostern, ist das Gedenken an das letzte Abendmahl, die Kreuzigung, die Grabesruhe und die Wiederauferstehung von Jesus Christus. Es ist das Gedenken unserer christlichen Geschwister an das Leid Jesus Christus, aber auch an Widerauferstehung als Zeichen der Hoffnung und Güte Gottes.
Ähnlich ergeht es anderen Glaubensgemeinschaften. Unsere jüdischen Geschwister feiern das Pessach, ihr Freudenfest für die Befreiung des Volkes Israel aus der Sklaverei. Die Muslime bereiten sich auf den Ramadan vor, der für sie wertvoller ist als tausend Monate und müssen auf die ersehnten Gottesdienste und Iftar-Veranstaltungen in Moscheen verzichten. Das Virus trifft uns als Menschheit gemeinsam.
Die Erde wurde uns allen als Lebensraum durch Gott anvertraut und wir sind aufgerufen, verantwortungsvoll und genügsam mit seinen Ressourcen, umsichtig mit seinen Geschöpfen und respektvoll mit unseren Mitmenschen umzugehen. Zuletzt haben die Anschläge in Halle und Hanau in den letzten Monaten vor der Corona-Pandemie gezeigt, wie verantwortungslos wir mit dieser Verantwortung, unseren Gefühlen, Gedanken, Worten und Handlungen umgegangen sind, und welche fatalen und traumatischen Einschnitte dieses in unserer Gesellschaft erzeugt.
Die Debatten um die Klimakrise haben uns vor Augen geführt, wie verschwenderisch wir mit der Schöpfung und der Barmherzigkeit Gottes umgegangen sind. Wir nahmen in Besitz, was uns nur anvertraut war.
Das Korona-Virus ist die größte Herausforderung für unsere Gemeinschaft seit langem. Zu Recht sagt unsere Kanzlerin, dass die europäische Union seit ihrer Gründung, ihre größte Bewährungsprobe ablegt. Gewiss, erleben wir eine Prüfung und ein Zeichen für uns alle, das uns wachrütteln muss!
Wir erleben, wie Menschen ohne ihre Angehörigen an ihrer Seite in Isolation sterben müssen. Wir erleben, wie die Isolation unsere Gesellschaft verändert, ohne dass wir Einfluss darauf nehmen können, ein Aufkommen von Urängsten bei vielen Menschen. Wir erleben, wie Menschen nach Ursachen hierfür und nach Schuldigen suchen und somit auch in einer Krise, die alle Menschen gleichermaßen trifft, andere Menschen zu stigmatisieren versuchen.
Wir erleben aber auch Engagement, Solidarität und Unterstützung, wie wir es zuvor noch nicht hatten. Wir erleben, dass junge Menschen mit neuen Ansätzen wie Nachbarschafts- und Einkaufshilfe, Beistand und Solidarität gegenüber den Älteren zeigen. Es wird uns bewusster, dass Bedienstete wie Kranken- oder Altenpfleger, Paket- oder Postboten, Logistiker und Mitarbeiter im Lebensmittelsektor und andere Berufe einen lebenswichtigen Beitrag für unsere Grundversorgung leisten und bisher leider zu wenig gewürdigt wurden. Wir erleben, wie Angehörige dieser Berufe über sich hinauswachsen und Unglaubliches für uns alle leisten. Ihnen allen gebührt unser Dank. Trotz Leid und Angst hilft die Dankbarkeit und Besinnung auf wesentliche Werte unser Leben und unsere Lebensweise neu zu denken. Es sind die Annäherungen von Gegensätzen in der Schöpfung Gottes, die uns und unsere Umwelt drastisch verändern.
Die zentrale Botschaft des Christentums, in seinem höchsten Feiertag, muss uns alle kompromisslos an den sozialen Balsam, die Nächstenliebe erinnern. Die Wiederauferstehung nach Zeiten der Passion, der Entbehrung und des Leids, ist für unsere christlichen Geschwister Hoffnung und Zuversicht.
Es ist unsere Bürde als Religionsgemeinschaften, die Gesellschaft durch diese schwierige Zeit, besonders auch über die heiligen Festtage, wie Ostern für Christen und Ramadan für Muslime, zu tragen und ihnen zu helfen, den Glauben an Gott und auch die Menschen nicht zu verlieren. Unsere Aufgabe als Religionen muss es daher sein, dass die Rückbesinnung auf unsere Werte und das Wissen um unsere Verantwortung füreinander auch nach der Corona-Pandemie weiterhin Wegweiser für unser Handeln bleiben.
Lassen sie uns daher, wenn auch die Zusammenkunft in Gotteshäusern nicht möglich ist, über alle uns zur Verfügung stehenden Medien, wie auch das gemeinsame Ertönen der Kirchenglocken und des Gebetsrufs (Ezan), unsere Werte wie Nächstenliebe verbreiten und somit Hoffnung und Zuversicht spenden.
Als Zeichen der Solidarität und des Respekts wird die DITIB über die stillen Osterfeiertage auf die wegen der Corona-Pandemie eingeführten öffentlichen Gebetsrufe vom Minarett verzichten, und diese zusammen mit den Kirchenglocken am Sonntag wieder aufnehmen.
Getragen von diesen Wünschen und Gedanken wollen wir als DITIB Bundesverband auch im Namen aller in uns organisierten Religionsgemeinschaften und Gemeinden unsere herzlichsten Oster- und Festtagswünsche überbringen.
Wir wünschen der gesamten christlichen Welt ein besinnliches Osterfest.
Kazim Türkmen
Vorstandsvorsitzender
DITIB-Bundesverband