Am 13.12.2011 fand in Marl im Rathaus-Saal die Abschlussveranstaltung „Gastmahl zum Abrahamfest“ statt. Veranstalter waren die Christlich-Islamische Arbeitsgemeinschaft Marl in Zusammenarbeit mit den Kirchen und Moscheen in Marl, mit der Jüdischen Kultusgemeinde Kreis Recklinghausen, dem Integrationsrat Marl und der Stadt Marl. Unter dem Motto „Verständnis, Respekt und Frieden“ wurde den Besuchern neben den Ansprachen auch ein kulturelles und musikalisches Rahmenprogramm geboten.
Die Abschlussveranstaltung wurde mit den Begrüßungsreden durch den Bürgermeister von Marl, Werner Arndt, dem Weihbischof Dr. Dieter Geerlings und dem Vorsitzenden des DITIB-Dachverbandes, Prof. Dr. Ali Dere eröffnet. Ebenfalls anwesend waren der türkische Generalkonsul von Münster Nafi Cemal Tosyali, der stellvertretende Landrat Harald Dübel und Vertreter der verschiedenen Gemeinden.
Bürgermeister Arndt stellte in seiner Begrüßungsrede die Gemeinsamkeiten der abrahamitischen Religionen fest und verurteilte Bezug nehmend auf die aktuellen Ereignisse die rechtsterroristischen Auswüchse: „Das Abrahams-Gastmahl ist eingebettet in eine ganz wichtige Festlichkeit. Das islamische Opferfest, das Aschure Fest der Aleviten, die sind gerade vorbei. Das Chanukka Fest der jüdischen Gemeinde steht vor der Tür und das christliche Weihnachtsfest das ist auch nicht mehr weit zu den heiligen Tagen. Mitten in unserem Alltag zwischen diesen Festen gibt es einen weiteren Grund zum Feiern und das ist dieser heutiger Tag, das 11te Abrahamsfest, das heute mit dieser Veranstaltung zu Ende geht. Insgesamt ist das Abrahamsfest immer eine Gelegenheit zum Dialog, zum Gespräch zwischen den Kulturen und Religionen, es bildet Brücken zwischen den Menschen, es leistet Beiträge zur Verständigung zu einem friedvollen Miteinander.
Meine Damen und Herren was da passiert ist: diese Mordserie von diesen Nazischergen von Zwickau ausgehend, das hat uns alle tief erschüttert. Wer hat denn ernsthaft geglaubt, dass wir so etwas noch erleben mussten in Deutschland! Unter den Augen der Polizei und staatlichen Obrigkeit, unter den Augen des Verfassungsschutzes. Ich habe es nicht für möglich gehalten, dass sich rechte Terrorzellen bilden können und in dieser Form Deutschland so tief erschüttern können. In Marl haben wir stets gesagt: Marl hat keinen Platz für Rassismus. Wir haben das gelebt. In Marl, da lassen wir unsere Tradition nicht kaputt machen, den guten Dialog, das friedliche Miteinander. Das ist ein hohes Gut in Marl und da bekennen wir uns an dieser Stelle nochmal dazu.“
Weihbischof Dr. Geerlings sagte in seiner Rede: „Hier wird ein Zeichen gegeben durch das Abrahamfest für ein gutes Miteinander. Für einen gemeinsamen Weg von Muslimen, Juden und Christen im gegenseitigen Respekt und Achtung, für einen Weg der Verständigung in unserer Gesellschaft. Für mich ist das so, dass es überhaupt keine Alternative gibt zu diesem Weg. Wir hatten von unserer Kirche aus dieses Jahr einen besonderen Höhepunkt: das war der Besuch von Papst Benedigt in Deutschland. Und hier erinnere ich an seine Begegnung mit den Juden und den Muslimen in Berlin. Ich möchte hier einpaar Sätze von seiner Ansprache bei der Begegnung mit den Muslimen zitieren, da deutet etwas darauf von der Grundlage dessen, wie denn in unserer Gesellschaft und wovon Frieden zu erwarten ist: Viele Muslime messen der religiösen Dimension des Lebens grosse Bedeutung bei. Das wird zu weilen als Provokation aufgefasst in einer Gesellschaft, dass dazu neigt diesen Aspekt an den Rand zu drängen oder ihn höchstens in den Bereich der privaten Entscheidungen des Einzelnen gelten zu lassen. Die katholische Kirche setzt sich entschieden dafür ein, dass der öffentlichen Dimension der Religionszugehörigkeit eine angemessene Anerkennung zuteil wird in einer überwiegend pluralistischen Gesellschaft wird dieser Anspruch nicht Bedeutungslos. Ich denke, das ist eine wichtige Perspektive nicht nur für Marl, nicht nur für Deutschland, sondern eigentlich eine wichtige Perspektive für alle Religionen zusammen.
Gott ist unser gemeinsamer Bezugspunkt. Gott ist christlich gesprochen Liebe, Gott ist islamisch gesprochen Barmherzigkeit. Sie offenbaren sich in Ihrer Breite in dieser Welt. Auf dieser Grundlage ist eine fruchtbare Zusammenarbeit zwischen Christen, Muslimen und Juden möglich. Damit tragen wir aus dem Unsrigen zu einem Aufbau der Gesellschaft bei, in der viele Menschen auf der Suche sind, und wir uns in einem großen Wandlungsprozess finden in Staat, Gesellschaft, Kirche und Religions-gemeinschaft. […] Ich bin zuversichtlich: wo Gott ist, da ist Zukunft. Ich wünsche ein gutes Gelingen dieses Festes, einen guten gemeinsamen Weg zum Wohl der Menschen.“
Prof. Dere betonte in seiner Rede die Verantwortung aller Religionsgemeinschaften als gemeinsames Ziel, unabhängig von Religionsangehörigkeit für das Wohlergehen und die Solidarisierung der Menschen für- und miteinander:
“Ich bin froh und glücklich darüber, dass wir heute gemeinsam Abrahamfest feiern. Wir haben uns als Vertreter verschiedener Religionsgemeinschaften in diesem Saal versammelt, um gemeinsam nach unserer informationsreichen und solidarischen Arbeit und aber auch religiösen und gesellschaftlich verantwortungsvollen Veranstaltungen in diesem Jahr gemeinsam den 11. Abrahamsfest zu feiern und zu genießen. Meine Teilnahme an dem 5. Abrahamfest mit Seine Eminenz, Praesident für Religiöse Angelegenheiten Prof. Dr. Ali Bardakoğlu ist für mich noch als eine besondere Erinnerung wach. Mich freuet es, dass wir heute hier nochmal in aehnlichen waermen und frıedvollen Atmospfere zusammengekommen sind.
Sehr geehrte Gaeste,
Viele in unserem Alltag wiederzufindende Themen, die für uns und unseren Mitmenschen Sorge und Freude bereiten, uns als unverzichtbarer Teil dieser Gesellschaft in der Familie, der Kommune und in der Gesellschaft bewegen, wurden bisher angesprochen. Arbeit und Feiern, Armut, Arbeitslosigkeit, Bildung und Erziehung, Familie und Jugend sind einige Themenbereiche, die wir in unseren Gottes-häusern und in den öffentlichen Räumlichkeiten gemeinsam in Rahmen unserer Veranstaltungen abrahamitisch behandelt haben.
Wenn es um Glückseligkeit und Wohlergehen der Menschen geht, tragen alle Religions-gemeinschaften die Verantwortung. Den Menschen zur Seite zu stehen, ihnen in der Not sowohl moralisch und ethisch, als auch physisch und psychisch zu unterstützen, gehört zu unseren gemeinsamen religiösen Zielen. Jeder Mensch hat das Recht, unabhängig welcher Religion er angehört oder ein Konfessionsloser, dass seiner religiösen, kulturellen und ethnischen Identität mit Würde und Respekt begegnet wird.
Gerade religiöse Feste und Feierlichkeiten bieten vielerlei Anlässe, dass Menschen einander Freude schenken und mit sich selbst, ihren Familienangehörigen, den Gemeindemitgliedern, den Nachbarn und allen Geschöpfen Gottes in Harmonie leben. Vor allem die religiösen Hochfeste, wie Weihnachten bei den Christen, das Fastenbrechen und Opferfest bei den Muslimen, sowie der Sabbat bei den Juden, sind wichtige Gelegenheiten, wo Menschen Zeiten in Besinnung miteinander verbringen und große Freude miteinander teilen.
Das Arbeitsleben nimmt einen großen Teil in unserem Leben in Anspruch, daher muss ein Jeder sich der wichtigen Dinge im Leben bewusst zu werden und zuwenden, wie das gemeinsame feiern, das bewusste Zeitnehmen für sich selbst und für die Mitmenschen. Hierfür sind unsere freien Tage und Feiertage, religiöse Fest- und Feiertage sehr gut geeignet. Die Einhaltung dieser Zeiten sind für jeden individuell religiösen Mensch unabdingbar und von vitaler Bedeutung.
Sehr geehrte Damen und Herren,
Gemeinsam können wir durch unsere interreligiöse und interkulturelle, aber auch dialogorientierte Zusammenarbeit ein Stück weit für ein positives Miteinander beitragen. So ist ein gemeinsames Fest, wie das Abrahamfest, schon ein wichtiger Schritt für diese gemeinsame Basis. Das friedliche Miteinander können wir dann nur voranbringen, wenn wir unsere Unterschiede als Ressource wahrnehmen und diese anerkennen, uns gegenseitig in Verbundenheit die Hand reichen, uns gegenseitig wertschätzen, respektieren und akzeptieren. Zumal wir von Allah in unterschiedlichen Völkern und Stämmen geschaffen worden sind. Wir haben keine Einflussmöglichkeit darauf, in welche bestimmte ethnische Gruppe wir hineingeboren werden, jedoch haben wir als vernunftbegabte Geschöpfe die Möglichkeit, über unseren ethnischen, kulturellen und traditionellen Horizonte hinweg, friedlich miteinander ins Gespräch zu kommen, gar miteinander auf bester Art zu streiten. Darüber hinaus sind wir verpflichtet, eine Akzeptanz- und Respektkultur zu entwickeln.
Bald schon begehen wir die Jahreswende. Wir haben in diesem fast vergangenen Jahr gute, wie auch schlechte Zeiten gemeinsam erlebt. Die Serie der Gräueltaten des "Nationalsozialistische Untergrund" (NSU) haben uns alle schockiert und tief getroffen. Diese Terrorzelle hat es auf das Recht des Lebens unschuldiger Menschen abgesehen und die Menschen ermordet. Mit ihren menschenfeindlichen Ideologien ist darin an der Demokratie und den Demokraten dieses aufgeklärten Landes großen Schaden angerichtet worden.
Aktuelle, uns alle in diesem Jahr bewegende Themen, wie etwa die Finanzkrise, Extremismus und rassistischer Terrorismus, wären für das nächste kommende Abrahamjahr außerordentlich wichtige Punkte, die gemeinsam auch im Rahmen unserer gemeinsamen Arbeiten auf die Agenda 2012 zu setzen sind.
Sehr geehrte Freunde!
Wie schön dass ich hier meine Rede vor einer Malarei halte, welche unsere Schüler gemalt und mit schriftzügen darauf uns erinnert haben, dass wir die Menschen so behandeln müssen, als ob sie uns Verwandt wären. Als ein Islam-Gelehrter sage ich ganz klar, dass wir alle Menschen als unsere Brüder oder Schwester, als eine grosse Familie wahrnehmen müssen.
Ich möchte ihnen auch meine Freude und Anerkennung darüber mitteilen, dass Kinder und Jugentliche -unbeirrt durch das derzeit bewegte und bewegende gesellschaftliche Umfeld und dem daraus resultierenden Klima, mit dem notwendigen Wissen und Gewissen ausgestattet, heranwachsen zu zusehen, die einmal unsere Zukunft gestalten werden.
Abschliessend wünsche ich Ihnen besinnliche Tage in der Adventszeit und frohe Weihnachten. Möge Gott unsere Bemühungen und Anstrengungen mit seiner Barmherzigkeit begleiten und uns Friede und Freude im neuen Jahr schenken.“
Die Veranstaltung wurde mit einem gemeinsamen Gebet beendet.